Seebrücke: CUX hat Farbe bekannt - Toll!!
Stadt + Landkreis Cuxhaven sind Mitglied von "Seebrücke"
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Seit der Gründung der SEEBRÜCKE im Juli 2018 haben sich zahlreiche Städte, Gemeinden und Kommunen mit der SEEBRÜCKE solidarisch erklärt. Sie stellen sich gegen die Abschottungspolitik Europas und leisten selbst einen Beitrag um mehr Menschen ein sicheres Ankommen zu ermöglichen. Diese Beiträge sind lokal sehr unterschiedlich.
Auch die Stadt und der Landkreis Cuxhaven haben sich solidarisch erklärt!
Menschen auf dem Mittelmeer sterben zu lassen, um die Abschottung Europas weiter voranzubringen und politische Machtkämpfe auszutragen, ist unerträglich und spricht gegen jegliche Humanität. Migration ist und war schon immer Teil unserer Gesellschaft! Statt dass die Grenzen dicht gemacht werden, brauchen wir ein offenes Europa, solidarische Städte und sichere Häfen.
Die SEEBRÜCKE ist eine internationale Bewegung, getragen von verschiedenen Bündnissen und Akteur*innen der Zivilgesellschaft. Wir solidarisieren uns mit allen Menschen auf der Flucht und erwarten von der deutschen und europäischen Politik sofort sichere Fluchtwege, eine Entkriminalisierung der Seenotrettung und eine menschenwürdige Aufnahme der Menschen, die fliehen mussten oder noch auf der Flucht sind – kurz: Weg von Abschiebung und Abschottung und hin zu Bewegungsfreiheit für alle Menschen.
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Farbe bekannt - Toll!!
Nach der Stadt Cuxhaven ist jetzt auch der Landkreis CUX Mitglied von "Seebrücke"
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Über dem Tohuwabohu in der Ratssitzung am vergangenen Donnerstag, in der ein Soldat zu schreien begonnen hatte (wir berichteten), geriet der Beschluss fast in Vergessenheit: Nach abrupt beendeter Debatte sprach sich der Rat mehrheitlich dafür aus, dass sich die Stadt Cuxhaven der Initiative "Seebrücke" anschließen soll.
Das bedeutet, dass sie sich gegebenenfalls bereit erklärt, aus dem Mittelmeer gerettete Schiffbrüchige aufzunehmen und dass sie die Bundesregierung in ihren Bemühungen um eine "solidarische, humanitäre und europäische Flüchtlingspolitik" unterstützt, hieß es im gemeinsamen Antrag der SPD und Grünen.
Mit den ertrinkenden Menschen konfrontiert zu werden, sei ein großes Dilemma auch für Seeleute, konkretisierte Bernd Jothe, Fraktionsvorsitzender der Grünen, die Hintergründe. "Wir verlieren die Sensibilität. 2000 Menschen (laut Antragsvorlage 2275 im Jahr 2018; d. Red) ertrinken und wir gehen zur Tagesordnung über."
Jothe wies auf das Engagement sozialer Initiativen und vieler Kirchen für Menschen auf der Flucht und in Seenot sowie Helfer hin und zitierte den bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder mit dem Satz, es sei eines christlichen Europas unwürdig, Menschen ertrinken zu lassen. Bereits rund 50 Kommunen in Deutschland hätten sich der "Seebrücke" angeschlossen und sich so zu "Sicheren Häfen" erklärt; Cuxhaven solle das auch tun.
"Nicht freiwillig"
Vor allem, so lange es noch keine europäische Lösung gebe, stellte Ulrike Hogrefe für die SPD-Fraktion fest. "Das Problem geht uns ebenso an wie die Hafenstädte am Mittelmeer." Sie erinnerte an die Not, die die Menschen in die Boote treibe: "Wer setzt sich schon freiwillig einem solchen Risiko aus?", und versetzte sich in die Lage der Seeleute: "Sie müssen schwierige Rettungen bewältigen und können das Leid nicht verkraften." Was diese auszustehen hätten, beweise das Zitat eines Seemanns: "Ich kann und will nicht mehr über Kinderrucksäcke fahren."
Thiemo Röhler, Fraktionsvorsitzender der CDU, bekundete "großes Verständnis" für die Inhalte des Antrags. Allerdings sei die Stadt Cuxhaven ebenso nachvollziehbar nicht zuständig für eine Lösung des Flüchtlingsdilemmas; es müsse endlich eine europäische Lösung her. "Wir haben schon Verantwortung in besonderem Maße übernommen." Er kündigte Enthaltungen der CDU-Fraktionsmitglieder an.
"Bund soll mehr tun"
"Auch wir tun uns schwer, dem Antrag zu folgen", bekundete Peter Altenburg (Die Cuxhavener); einen Fraktionszwang gebe es für die Abstimmung aber nicht. Unbestritten sei, dass keine Menschen in Not zurückgelassen werden dürften. Er aber hätte sich eine deutlichere Aufforderung an die Bundesregierung gewünscht, ihre Aufgabe besser zu erledigen. Mit den Worten "Ich stimme meinem Vorredner ausdrücklich zu", begann AfD-Fraktionsvorsitzender Anton Werner Grunert, was Peter Altenburg mit dem Satz "Das macht mich traurig" quittierte. Über die Inhalte des AfD-Gegenantrags haben wir am Sonnabend ausführlich berichtet. Weit ausschweifend, unter anderem mit dem Hinweis auf Sicherheitsrisiken, zählte Grunert auf, warum keine weiteren Flüchtlinge aufgenommen werden sollten.
Seine Ausführungen wollte sich nicht jedes Ratsmitglied im Saal anhören. In der weiteren Debatte kam es zum Eklat durch den aus dem Publikum schreienden Mann im Kampfanzug, der erst nach mehrfacher Aufforderung die Zuschauerreihen verließ.
Auch Oberbürgermeister Dr. Ulrich Getsch hob schließlich die Hand für den Beitritt zur "Seebrücke". Er machte kurz den Grund für seine Position deutlich. Als Vorsitzender des Fördervereins der Seemannsmission sei für ihn klar, Seeleute in den Gebieten zu unterstützen, in denen Menschen ums Überleben kämpften: "Sie helfen ihnen und müssen sich sicher sein, dass sie sie in einem Hafen an Land bringen können", bekräftigte er am Montag im Gespräch mit unserer Zeitung.
- Schlimmste rassistische Äußerungen der AFD -
Bei dem mit Flecktarn-Anzug bekleideten Mann soll es sich um einen Bundeswehrangehörigen handeln.
Zu besagtem Zwischenfall kam es, als Ratsmitglieder am Donnerstagabend über das Thema Flüchtlinge stritten. Zu einem Papier von SPD und Grünen hatte die AfD-Ratsfraktion einen Gegenantrag formuliert: Anstatt sich mit der Hilfsinitiative "Seebrücke" zu solidarisieren, forderte die AfD-Fraktion den Rat dazu auf, sich fortan gegen die Aufnahme von Flüchtlingen in Cuxhaven zu stellen. Demonstrativ erhoben sich daraufhin einige SPD-Leute von ihren Plätzen. Als sie den Saal verlassen wollten, sprang im Zuschauerbereich ein Mann auf: "Bleiben Sie hier und hören zu!", herrschte er die im Gehen begriffenen Ratsleute an. Ratsvorsitzende Beatrice Lohmann verwies den in Feldanzug und Kampfstiefeln auftretenden Störer des Saales. Erst als der Oberbürgermeister aufstand und der Aufforderung Nachdruck verlieh, beugte sich der hochgewachsene Besucher dem Hausrecht. Sein Auftritt hinterließ im Plenum Fassungslosigkeit. "Ist der überhaupt von der Bundeswehr?", lautete ein Frage, die vielen auf den Lippen lag und am Freitag offiziell beantwortet wurde. Ein Sprecher der 1. Panzerdivision aus Oldenburg erklärte gegenüber unserer Zeitung, dass seine Dienststelle davon ausgehe, dass es sich bei dem Mann um einen Soldaten seines Verbandes handele. "Wir werden den Vorfall vollständig aufklären", betonte der Sprecher und ließ keinen Zweifel daran, dass man die Sache ernst nehme.
Ratsvorsitzende Beatrice Lohmann (CDU) rang sichtlich um Fassung, nachdem ein in Soldatenuniform gekleideter Zwischenrufer endlich nach mehrfacher Aufforderung den Saal verlassen hatte: "Das ist mir in meiner gesamten Zeit im Rat noch nicht passiert. Wenn wir so weit sind, dass wir hier nicht mehr frei diskutieren können, haben wir ein Sicherheitsproblem."
Fassungslosigkeit herrschte am Donnerstagabend auch in Reihen der Ratsmitglieder und Zuhörerschaft. Aber nicht nur über das aggressive Auftreten eines Zwischenrufers, sondern auch über das, was AfD-Fraktionsvorsitzender Anton Werner Grunert und Fraktionskollege Walter Kopp zuvor inhaltlich vorgetragen hatten.
Es ging darum, ob sich die Stadt Cuxhaven dem Bündnis "Seebrücke" anschließen und bereit erklären soll, aus dem Mittelmeer gerettete Menschen aufzunehmen. Dafür hatten sich SPD und Grüne in einem Antrag ausgesprochen. Bernd Jothe, Fraktionsvorsitzender der "Grünen", und Ulrike Hogrefe von der SPD hatten schon ihre Argumente vorgebracht, ebenso Thiemo Röhler von der CDU und Peter Altenburg von den "Cuxhavenern", bevor Anton Werner Grunert zu seiner Gegenrede ansetzte, die die AfD auch als Antrag eingebracht hatte.
Vier DIN-A 4-Seiten, nachzulesen im Ratsinformationssystem der Stadt, umfasst die Antragsbegründung; Grunert zitierte Teile daraus in der Ratssitzung und bezeichnete das Anliegen von SPD und Grünen als "größten Fehler in der deutschen Politik seit 1945". Schiffbrüchige im Mittelmeer "gerieten" seiner Auffassung nach nicht in Seenot, sondern stiegen freiwillig in die Boote.
Schon während Grunert Fluten von "Wirtschaftsflüchtlingen", "Straßenzüge, in denen nichts mehr an Deutschland erinnere", die Explosion der Sozialsysteme und der Kriminalität prophezeite, verließen einige Mitglieder der SPD-Fraktion aus Protest den Ratssaal, Frauen im Zuhörerraum kamen die Tränen. Die Situation eskalierte, als Walter Kopp (AfD) zehn angebliche "Fragen eines Bürgers" vortrug, unter anderem die, ob künftig Krankheiten wie Krätze, Tbc, HIV oder Hepatitis B die deutsche Bevölkerung gefährden würden.
Das Stichwort "Krätze", das sich auch in der Rückschau bei allen Zuhörenden eingeprägt hat, löste Empörung aus. "Das konnte ich nicht mehr aushalten", sagt SPD-Ratsherr Andreas Wichmann. Als er aufstand, um herauszugehen, pöbelte der Mann im Zuschauerraum los. Was er genau rief, ist nur in Bruchteilen überliefert, "das Ganze war ja absolut surreal", sagen Zeugen. "Sie bleiben hier!" hat Andreas Wichmann gehört und auch "denken Sie drüber nach, was das für Konsequenzen hat". Wichmann: "Ich habe mich bedroht gefühlt."
Zuhörerinnen, die in der Nähe des Mannes gesessen hatten, berichteten, dass er sie mit dem Satz "Heul doch!" angefahren habe. Deutlich vernehmlich war der Satz "Ich habe fünf Freunde verloren" und die Erwähnung des Ortes Kirkuk, ein Einsatzgebiet der Bundeswehr im Irak. Nach Informationen der Bundeswehr gehört der Mann einem Truppenverband an, dessen Mitglieder Auslandseinsätze betreiten. Aus dem Rathaus zu Hilfe gerufene Polizeibeamte trafen den Uniformierten später vor dem Gebäude an und nahmen dessen Personalien auf.
In aufgewühlter Stimmung nahmen die Ratsmitglieder die weiteren Ausführungen Walter Kopps auf, wobei auch die Äußerung "Volksverhetzung" fiel. Ein Antrag auf Schluss der Debatte stoppte weitere Ausführungen, bevor der Rat bei einigen Gegenstimmen den ursprünglichen Antrag und damit Cuxhavens Mitgliedschaft in der "Seebrücke" annahm (Bericht folgt).
Beatrice Lohmann hatte am Donnerstag schon zuvor mehrfach Zuhörer zur Ordnung gerufen. "Meine Aufgabe ist es, sicherzustellen, dass der Rat frei und unbeeinflusst diskutieren kann."