Liebe Unterstützerinnen und Unterstützer von United4Rescue,
die Motoren brummen, Wasser schäumt auf, und dann geht es los: Unser viertes Bündnisschiff, die SEA-EYE 5, ist von Sizilien aus in
ihren ersten Einsatz gestartet! Wir freuen uns riesig, dass der Rettungskreuzer ab sofort im Mittelmeer wieder genau das tun wird,
wofür er gebaut wurde:Menschenleben zu retten.
Mit Volldampf in den Einsatz! Foto: Leonard Müller / Sea-Eye
Seit letzter Woche ist die erste Einsatz-Crew an Bord der SEA-EYE 5. Jeder Handgriff, jeder Ablauf auf dem neuen Schiff wurde
trainiert, Lebensmittel gekauft, Rettungswesten verstaut und das Bordhospital ein letztes Mal durchgecheckt. Dann endlich hieß
es:Leinen los!
Doch das Auslaufen des neuen Bündnisschiffs ist nicht nur ein Moment der Freude.Wir schicken einen Rettungskreuzer, weil die humanitäre Krise im Mittelmeer weiter
anhält.Seit 2014 sind dort mehr als 30.000 Menschen ertrunken oder gelten
als vermisst, die allermeisten im zentralen Mittelmeer, wo unsere Bündnisschiffe im Einsatz sind. Um der tausenden Toten zu
gedenken, hielt die Crew vor dem Ablegen eine Schweigeminute und legte Kränze im Meer nieder.
Schweigeminute im Mittelmeer. Foto: Leonard Müller / Sea-Eye
Die SEA-EYE 5 ist auch eine Antwort auf die Hürden, die der zivilen Seenotrettung in den Weg gelegt werden. Denn die europäischen
Mitgliedstaaten, insbesondere Italien, behindern die zivile Seenotrettung aktiv.Es ist eine Schande, dass die Zivilgesellschaft immer wieder neue Wege finden muss, um
weiter Menschenleben zu retten– schließlich ist Seenotrettung Pflicht!
Wir werden weiter alles dafür tun, Menschenleben auf der tödlichsten Fluchtroute der Welt zu retten.Unser starkes Bündnis hat mit dafür gesorgt, dass die SEA-EYE 5 jetzt im Einsatz
ist.DANKE dafür!
Mit herzlichen Grüßen
Dein Team von United4Rescue
Drei Bündnisschiffe aktuell im Einsatz
Mit dem Ablegen der SEA-EYE 5 sind drei unserer Bündnisschiffe zeitgleich im Einsatz: Auch die Humanity 1 und die SEA-EYE 4
patrouillieren gerade im Rettungsgebiet. Seit über einer Woche ist das Wetter schlecht und es ist unwahrscheinlich, dass Menschen bei
dieser rauen See die Überfahrt wagen. Die Crews halten trotzdem permanent Ausschau, da die hohen Wellen für seeuntaugliche Boote höchst
gefährlich wären. Folge uns aufInstagram,Facebook,BlueskyoderXfür aktuelle News von
den Einsätzen!
Maskierte Personen zwingen Menschen über Bord
Die Crew der SEA-EYE 4 wurde beim letzten Einsatz Zeuge eines schockierenden Vorfalls: Maskierte Personen zwangen in internationalen
Gewässern 22 Menschen von Bord eines fahrenden Bootes zu springen und ließen sie schutzlos zurück. Darunter auch Anisa (Name geändert),
die an diesem Tag 24 Jahre alt wurde. „I can’t swim”, rief sie dem Einsatzteam der SEA-EYE 4 zu. Zum Glück konnte die Crew schnell
reagieren und Anisa und die anderen Menschen aus dem Wasser retten.
Maskierte Personen zwingen Menschen bei voller Fahrt über Bord. Foto: Anna Dütsch / Sea-Eye
Einer der Überlebenden schrieb der Crew später einen Brief, mehrere Seiten lang, in schönster arabischer Schrift. Darin schreibt er:
“Ist man auf diesem Schiff, hatte man großes Glück. Es bedeutet, man ist in Sicherheit. (...) Du bist jetzt sicher. Das wird einem
irgendwann bewusst." Wir wünschen ihm, Anisa und den anderen Geretteten alles Gute für ihre Zukunft!
Leben retten braucht keine Erlaubnis!
Ende August rettete unser Bündnisschiff Sea-Watch 5 289 Menschen aus Seenot. Die italienischen Behörden wiesen den Geretteten das fast
1.000 Kilometer entfernte Civitavecchia als sicheren Hafen zu – und setzten die Sea-Watch 5 anschließend für 20 Tage fest. Die
Anschuldigung: Die Crew habe die Menschen ohne Erlaubnis der libyschen Behörden gerettet. Dafür gibt es keinerlei Grundlage:
Seenotrettung ist Pflicht und braucht keine Erlaubnis! Mittlerweile ist unser Bündnisschiff wieder frei, und Sea-Watch hat die Behörden
wegen der unrechtmäßigen Festsetzung verklagt.
Italien droht NGO-Flugzeugen
Mit einem neuen Dekret droht Italien jetzt auch NGO-Flugzeugen, die über dem Mittelmeer Ausschau nach Booten in Seenot halten, mit
Festsetzungen und Beschlagnahmungen. Auch Geldstrafen von bis zu 10.000 Euro sind möglich. Das Dekret weitet damit die Schikanen, die
sich bislang gegen die Rettungsschiffe richteten, auf die zivilen Flugzeuge aus. Damit will Italien es Organisationen wie Sea-Watch
erschweren, Menschenrechtsverletzungen auf dem Mittelmeer aus der Luft zu dokumentieren.Lies hier die Pressemitteilung von Sea-Watch dazu.
Jahresbericht 2023: So wirken eure Spenden
Unser Jahresbericht 2023 ist da! Erfahre alles über die geförderten Projekte, Bündnisschiffe und inspirierende Aktionen unserer
großartigen Bündnispartner. Außerdem geben wir einen Einblick in unsere Finanzen.Schau hier online in den Bericht!
Einsatzbericht von der Trotamar III
Mit einer Förderung in Höhe von 12.226 Euro haben wir im Sommer 2024 einen Einsatz der TROTAMAR III auf dem Mittelmeer ermöglicht. 65
Menschen konnte die Crew dabei aus Seenot retten. Lene und Matthias vom Compass Collective berichten vom Einsatz, ihrer Begegnung mit
der libyschen Küstenwache und von den besonderen Herausforderungen auf einem Segelschiff.Hier kannst du das Interview lesen!
Nothilfe an der französisch-britischen Küste
Jedes Jahr versuchen zehntausende Geflüchtete, Großbritannien per Boot aus Frankreich zu erreichen. Immer wieder kommt es dabei auch zu
Schiffbrüchen. Auf Druck aus London geht die französische Polizei mittlerweile gewaltsam gegen die Menschen in den Booten vor.
Hilfe für Geflüchtete an der französischen Küste. Foto: Utopia 56
Die französische Organisation Utopia 56 betreibt an der Nordküste Frankreichs eine Notrufnummer und hilft Menschen, die durchnässt und
unterkühlt zurück an Land kommen. United4Rescue unterstützt ihre Arbeit in diesem Jahr mit 50.000 Euro. Mehr über die Einsätze und die
Situation an der Grenzeliest du hier in unserem Blog.
Job: Campaigner:in für einen Dokumentarfilm
Gemeinsam mit anderen unterstützt United4Rescue die Produktion eines Dokumentarfilms, der einen progressiven Blick auf die Themen
Flucht, Migration und Seenotrettung wirft und im kommenden Jahr bundesweit anlaufen soll. Für die Verbreitung des Films sucht Sea-Eye
ab sofort eine:n Campaigner:in in Teil- oder Vollzeit.Zur Stellenausschreibung geht
es hier lang!
Die Stelle passt nicht zu dir, aber du kennst jemanden, der:die perfekt wäre? Dann leite die Ausschreibung sehr gerne weiter!
Buch “Todesursache: Flucht” jetzt noch bestellen
Auf hunderten Seiten sammelt das Buch “Todesursache: Flucht” die Schicksale und Geschichten von Menschen, die seit 1993 an den
europäischen Grenzen gestorben sind. Die “Liste der Toten” wird jährlich aktualisiert, und 2023 wurde sie für das Buch komplett auf
deutsch übersetzt. Die eindrückliche Liste macht das tausendfache Sterben erschreckend greifbar.
Folge unseren Social-Media-Kanälen für aktuelle Infos zur Seenotrettung:
Menschenleben sind unbezahlbar – Seenotrettung nicht.
Wir freuen uns über Spenden auf unser Spendenkonto: United4Rescue - Gemeinsam Retten e.V.
IBAN: DE93 1006 1006 1111 1111 93
BIC: GENODED1KDB
Bank für Kirche und Diakonie eG - KD-Bank
unsere Crew ist erst eine Nacht im Einsatzgebiet, als sie am 20. Juni in den frühen Morgenstunden den ersten Seenotfall entdeckt. 31 Menschen befinden
sich auf dem kleinen, seeuntauglichen Boot. Niemand trägt eine Rettungsweste. Binnen Minuten lässt die Crew die Rettungsschnellboote zu Wasser und
bringt mit ihnen die Menschen an Bord unseres Rettungsschiffes, der Humanity 1.
Gleich danach macht sich die Humanity 1 mit voller Geschwindigkeit auf den Weg zu einem weiteren Seenotfall. Doch bevor wir dort ankommen, erreicht die
sogenannte libysche Küstenwache die Schiffbrüchigen. Ein ziviles Aufklärungsflugzeug berichtet uns, dass sie die flüchtenden Menschen auf ihre Boote
und damit zurück nach Libyen zwingt. Ein klarer Bruch des Völkerrechts!
Unsere Crew sichtet ein weiteres Boot. Als die Humanity 1 bei diesem seeuntauglichen, stark überbesetzte Holzboot ankommt, hat es bereits gefährliche
Schlagseite. Insgesamt 75 Menschen, darunter zahlreiche Frauen und Minderjährige, können mit unseren schnellen Beibooten gerettet werden.
Du kannst unserer Crew dabei helfen, Leben zu retten:
Am Nachmittag geht ein weiterer Notruf ein. Doch die italienische Rettungsleitstelle verzögert die Koordinierung der Suche und Rettung um anderthalb
Stunden – genug Zeit für einen weiteren Pullback (Rückführung) durch die sogenannte libysche Küstenwache. Und damit nicht genug: Am späten Abend
bekommt unsere Crew von der italienische Seenotleitstelle die Anweisung, zu einem anderen Seenotfall zu fahren.
Doch wieder ist die sogenannte libysche Küstenwache vor Ort und ordnet an, die Menschen nicht zu retten. Die italienische Rettungsleitstelle fordert
uns auf, diese Anweisung zu befolgen. Unserer Crew sind die Hände gebunden. Ihr und den Geretteten an Bord der Humanity 1 bleibt nichts anderes übrig,
als noch einen weiteren illegalen Pullback mitanzusehen.
„Am Weltflüchtlingstag hat es die italienische Rettungsleitstelle vorgezogen, Pullbacks zu ermöglichen, anstatt Rettungen zu
koordinieren.“
Statt Rettungen haben die italienischen Behörden und die europäische Grenzschutzagentur Frontex rechtswidrige
Rückführungen ermöglicht. Damit machen sie sich mitschuldig an einem Kreislauf aus Gewalt, aus dem Menschen zu fliehen versuchen.
Neuer Bericht:
Leider sind Rechtsbrüche auf dem Mittelmeer keine Ausnahme,
sondern quasi an der Tagesordnung. Rettungen werden von europäischen Behörden behindert oder
von der sogenannten libyschen Küstenwache unterbrochen.
Dies wird durch unseren neuen Bericht „Menschlichkeit über
Bord“ belegt.Schwarz auf weiß weisen
wir anhand einer exklusiven Umfrage, die wir über Monate an Bord durchgeführt haben, neuen
Daten aus dem Rettungseinsatz und bezeugenden Berichten Menschenrechtsverletzungen und die
unmenschlichen Folgen für schutzsuchende Menschen nach.
Joshua, unser zweiter Offizier an Bord der Humanity 1, behält
während der Rettungen und der bezeugten illegalen Rückführungen von der Brücke aus den
Überblick.
Er kümmert sich um die Navigation und empfängt eingehende Notrufe. Wir haben vor
den Rettungen ein Interview mit Joshua über seine Arbeit an Bord der Humanity 1 geführt.
Aktuell befinden sich 106 Menschen an Bord der Humanity 1.Sie
sind erschöpft und psychisch belastet. Sie haben alle mindestens eine Nacht in Lebensgefahr auf offener See verbracht. Das Pflegeteam an Bord kümmert
sich um Verletzte und Seekranke. Außerdem erhalten alle Geretteten an Bord trockene Kleidung, Essen und Wasser. Manche haben Wunden, die versorgt
werden müssen.
Festen Boden unter den Füßen haben sie aber erst einige Tage nach der Rettung. Der von den italienischen Behörden zugewiesene sichere Hafen ist etwa
1.300 Kilometer von der ersten Rettung entfernt. Die Humanity 1 ist seit Donnerstag dorthin unterwegs, die Ausschiffung ist für morgen, Dienstag,
geplant.
Für die Zeit der Überbrückung der langen Fahrt auf engem Raum an Bord der Humanity 1 unterstützt uns unter anderem unsere Partnerorganisation
Bibliothèques Sans Frontières (Bibliotheken ohne Grenzen) mit Büchern auf Englisch, Französisch und in Zukunft auch Bengali und Arabisch für die
Geretteten an Bord.
Foto: Wnada Proft / SOS Humanity
Auch die Arbeiterwohlfahrtsverbände unterstützen uns. Als Zeichen der Solidarität mit weltweit über 100 Millionen Menschen auf der Flucht haben sie
dazu aufgerufen, 100 riesige Papierboote zu gestalten. Unter anderem Schulen, Vereine, Kommunen und Beratungsstellen haben gewerkelt und diese nun am
Weltflüchtlingstag auf der Berliner Museumsinsel aus der ganzen Republik zusammengetragen und aufgebaut.
„Ein riesiger Hoffnungsschimmer ist eine Zivilgesellschaft wie ihr. Mit 100 Booten habt ihr ein Zeichen gesetzt gegen Ausgrenzung,
für Solidarität und für Menschlichkeit.“
Auch von mir ein großes Dankeschön für eure Unterstützung und Solidarität!
IBAN: DE 04 1005 0000 0190 4184 51 BIC: BELADEBEXXX
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Die italienischen Strafmaßnahmen gegen Sea-Eye sind staatliches Unrecht!
June 25, 2023
Gemeinsames Statement von Sea-Watch und Alarm Phone
Am 14. Juni 2023 sind vermutlich über 600 Männer, Frauen und Kinder, die aus Libyen geflohen waren, bei einem der größten Schiffsunglücke der vergangenen Jahre in der Nähe der griechischen
Insel Pylos ertrunken. Wenige Wochen zuvor, am 23. Mai 2023, wurden 500 Menschen, die es mit einem Boot bereits in die maltesische Such- und Rettungszone geschafft hatten, von der
berüchtigten libyschen Miliz Tariq Ben Zeyad[1] nach Benghazi zurück
verschleppt. Einige der damaligen Bootsinsassen sind bei ihrem zweiten Überfahrtsversuch auf dem Boot vor Pylos ertrunken. Zwischen Sterben-Lassen und illegalen Push-Backs: die Risiken für
Schutzsuchende und Migrant:innen auf der Flucht aus Libyen sind groß und die Opferzahlen wären noch weitaus höher, wenn nicht eine zivile Flotte zur Seenotrettung im Dauereinsatz wäre. Doch
diese Rettungsschiffe werden von der italienischen Regierung systematisch schikaniert und kriminalisiert. So verbietet das neue Piantedosi Dekret Rettungsorganisationen, nach der Zuweisung
eines sicheren Hafens weitere Menschen in Seenot zu retten. Die daraus folgenden Strafmaßnahmen gegen die SEA EYE 4 nach ihrem Einsatz Ende Mai 2023 demonstrieren, wie menschenverachtend die
staatlichen Behörden agieren. Das Bemühen der SEA EYE 4, Menschen schnellstmöglich aus Seenot zu retten und illegale Push Backs zu verhindern, kann niemals falsch sein und darf nicht bestraft
werden. Das Piantedosi Dekret ist ein menschenfeindliches Gesetz und muss sofort abgeschafft werden.
Ein Schiff der libyschen Tarek Ben Zayed Miliz bei einem Push-Back im Juni 2023 fotografiert aus der Sea-Bird 2. Copyright: Tian Sthr/Sea-Watch
Die Ausgangslage am 30. Mai 2023
Am 30. Mai 2023 war die SEA-EYE 4 mit 17 am Vortag geretteten Menschen auf dem Weg zum noch mehrere hundert Kilometer entfernten Ortona. Diesen Hafen sollte die SEA-EYE 4 nach Anweisung der
Küstenwache schnellstmöglich anfahren, laut dem im Februar 2023 in Kraft getretenen sogenannten Piandosi-Dekret. In dieser Situation erhielt gegen 10:00 Uhr die SEA-EYE 4 die SOS-Email der
Telefon-Hotline Alarm Phone. Ein Boot mit rund 400 Menschen (mit der Bezeichnung AP0741) befände sich in der maltesischen Such- und Rettungszone in Seenot.
Die Erfahrung des illegalen Push-Backs
Exakt eine Woche zuvor, am 23. Mai 2023, hatte sich in der gleichen Region Folgendes ereignet: 500 Menschen waren mit einem Fischerboot aus Libyen in Richtung Europa geflohen. Sie erreichten
etwa die Mitte der maltesischen Such- und Rettungszone – also über 320 Kilometer von der libyschen Küste entfernt – als der Motor des Bootes ausfiel. Das Boot trieb manövrierunfähig auf dem
Meer. Obwohl die europäischen Küstenwachen vom Alarm Phone über den Seenotrettungsfall sofort informiert wurde, bleiben die verantwortlichen Behörden untätig. Und dann: das Boot wurde am
nächsten Morgen offensichtlich von libyschen Milizen eingeholt und zurück geschleppt. Viele der 500 Menschen verschwanden in Haftlagern in Benghazi. Es handelt sich hierbei eindeutig um
unterlassene Hilfeleistung sowie einen illegalen Push-Back, also einen eklatanten Bruch von internationalen Asyl- und Menschenrechten.
Das Boot in Seenot vom 30.5.23, welches von der SEA-EYE 4 gesucht wurde. Copyright: Sea-Watch
Die einzig richtige Entscheidung
Vor dem Hintergrund dieser konkreten Erfahrung entschied der Kapitän der SEA-EYE 4, dem Alarm für den Seenotrettungsfall AP0741 zu folgen und die Route nach Norden zum Zweck der
schnellstmöglichen Hilfeleistung zu unterbrechen. In jedem Moment hätte der Motor des überladenen Kutters ebenfalls ausfallen können und den 400 Menschen hätte womöglich das gleiche Schicksal
gedroht wie den 500 Menschen in der Woche zuvor oder noch schlimmer: sie hätten untergehen können, wie das sehr ähnlich gebaute Boot nahe Pylos.
Gegen Mittag des 30. Mai konnte das Aufklärungsflugzeug Seabird 2 der Organisation Sea-Watch das Boot mit den 400 Menschen lokalisieren. Die Seabird bestätigte in ihren SOS-Emails an die
Behörden den Seenotfall. Zu diesem Zeitpunkt war die SEA-EYE 4 noch etwa 300 km von der letzten Position entfernt. Auch weil der Kontakt mit dem Boot über mehrere Stunden am Abend und in der
Nacht abbrach, verpasste die SEA-EYE 4 das Boot, das sich erst am nächsten Morgen nahe der italienischen Such- und Rettungszone beim Alarm Phone wieder meldete.
Die SEA-EYE 4 hatte auf ihrer Fahrt zu AP0741 zunächst ein weiteres Boot in Seenot gefunden und weitere 32 Personen gerettet. Mit dann insgesamt 49 geretteten Personen fuhr die SEA-EYE 4
schließlich Richtung Norden nach Ortona.
Die Strafmaßnahmen…
Im Hafen wurde Sea-Eye mit einem Verweis auf das neue italienische Gesetz vom 24.02.2023 darüber informiert, dass die SEA-EYE 4 für 20 Tage in Ortona festgesetzt wird und die Organisation
3333,- Euro Strafe zahlen muss, weil das Schiff nach der Rettung von 17 Menschen in der libyschen Such- und Rettungszone 32 weitere Menschen in der maltesischen Such- und Rettungszone rettete
und nicht so schnell wie möglich den Hafen von Ortona angefahren habe.
… ein Skandal staatlichen Unrechts
Wir halten diese Bestrafung und das zu diesem Zweck erlassene Dekret der italienischen Regierung für einen Skandal. Es dient alleine dazu, Rettungsschiffe abzuschrecken und zu kriminalisieren
– Rettungsschiffe, die dort so effektiv wie möglich zu intervenieren versuchen, wo staatliche Küstenwachen der EU seit Jahren bewusst eine oftmals tödliche Lücke produziert haben.
Sea-Eye hatte am 30. Mai die einzig richtige Entscheidung getroffen: einem Seenotfall, zu dem die beiden hier unterzeichnenden Organisationen alarmiert hatten, so schnell wie möglich zu Hilfe
zu eilen, zumal mit einem erneuten illegalen Push-Back-Versuch zu rechnen war. Dieses vorbildliche Verhalten mit Strafmaßnahmen zu belegen, kann nur als zynisch und menschenverachtend
bezeichnet werden.
Wenn Seeleute Flüchtlingen in Booten nicht helfen könnten, sei das sehr belastend, sagt Matthias Ristau, Generalsekretär der Seemannsmission. Was er deshalb fordert.
Die Seemannsmission unterstütze die zivile Seenotrettung, die insbesondere gefragt sei, „solange es keine ‚gute‘ staatliche Rettung gibt“. Manchmal
kämen die Retter jedoch zu spät, würden behindert oder sogar angegriffen. „Es kommt auch vor, dass bei der Rettung nicht alle gerettet werden können oder dass an Bord der
Rettungsschiffe Menschen versterben“, sagte Ristau. In solchen Momenten sei eine seelsorgliche Betreuung besonders wichtig. Grundsätzlich seien die Mitarbeitenden der Seemannsmission mit verschiedensten Themen konfrontiert. Beispielsweise sei der Krieg ein Thema, wenn
Seeleute aus der Ukraine von der Zerstörung ihrer Heimat und von verstorbenen Verwandten berichteten. An Bord erlebe man die unterschiedlichsten Dinge, etwa nach plötzlichen
Todesfällen, Unfällen, schweren Unwettern oder Bränden. „Die Seeleute übernehmen alle Aufgaben. Sie sind Feuerwehr und Rettungsdienst“, erklärte der Experte.
Die Seemannsmission wolle auch die internationale Zusammenarbeit verstärken. „An vielen Orten werden die Seeleute vergessen“, kritisierte Ristau.
Derzeit sei eine Zusammenarbeit mit der britischen Seemannsmission geplant, um auf beiden Seiten des Panamakanals seelsorgliche Angebote aufzubauen. Eine gute Vernetzung mit den
Hafenbehörden, Reedereien und Gewerkschaften sei sehr wichtig: „Wir sind einer sehr speziellen, abgeschotteten, abgeschlossenen Welt unterwegs“. Es gelte, verschiedene Vorschriften
aus unterschiedlichen Ländern zu kennen und zu beachten.
Was die Seemannsmission macht
Die Deutsche Seemannsmission ist
eine evangelische Seelsorge- und Sozialeinrichtung für Seeleute. Sie kümmert sich seit 137 Jahren um die seelische Gesundheit von Seeleuten. Auch die Ökumene sei wichtig, fügte Ristau
hinzu. Die Seemannsmission sei für Seeleute aus allen Religionen und Kulturen da und arbeite mit anderen christlichen Organisationen zusammen, zum Beispiel mit der katholischen
Seemannsmission Stella Maris.
Immer noch ertrinken jedes Jahr tausende Flüchtende im Mittelmeer. Zivile Organisationen retten manchen das Leben.
Unsere Autorin Sina Horsthemke war an Bord der „Humanity 1“ dabei.
Es ist schon fast Mitternacht, als Amidous* Mutter die Sorge um ihr Baby nicht länger aushält. Mit ihrem vor Fieber glühenden
Kind in den Armen steht sie von ihrer Matte am Boden auf. Sie steigt vorsichtig über die schlafenden Frauen, schafft es, trotz des Seegangs das Gleichgewicht nicht zu verlieren, öffnet mit einer
Hand die schwere Tür zum Hauptdeck und erspäht in der Dunkelheit Dragos (um die Crew zu schützen, bittet SOS Humanity, nur Vornamen zu nennen, Anm. der Redaktion). Dem Mann im blauen Overall hält
sie ihr Kind entgegen: Ob er den Arzt rufen könne? Dragos gehört zur Besatzung der „Humanity 1“, gleich endet seine Spätschicht. Er legt Amidou die Hand auf die Stirn, dann greift er zum
Funkgerät.
Am anderen Ende des Schiffs sitzt Maria in der kleinen Bordklinik noch am Schreibtisch. Die Krankenschwester aus
Italien hat heute Nacht Bereitschaftsdienst. Als sie hört, dass ein Baby krank ist, packt sie Handschuhe, Fieberthermometer und Medikamente ein und macht sich auf den Weg zum Heck, um Amidou zu
untersuchen. Der fünf Monate alte Junge ist nicht der Erste – schon am Nachmittag war ein Mädchen mit Fieber in die Sprechstunde gekommen. Breitet sich ein Infekt aus? Das wäre auf See ein
ernstes Problem.
Die „Humanity 1“, das 61 Meter lange Rettungsschiff der Berliner Organisation „SOS Humanity“, steuert im zentralen Mittelmeer gerade auf Süditalien zu. Amidou und
seine Mutter gehören zu den 261 Menschen, denen die Crew in den vergangenen Tagen das Leben gerettet hat. Mit mehr als 100 anderen Geflüchteten saßen die beiden in einem viel zu kleinen
Schlauchboot, das bereits Luft verloren hatte. Amidous Mutter stammt aus Kamerun und ist vor dem Bürgerkrieg im Westen des Landes geflohen, ihr Baby brachte sie in Libyen zur Welt.
„Einfach nur helfen“
Maria, die
Krankenschwester, kümmert sich bei diesem Einsatz um die Gesundheit der Geflüchteten – zusammen mit Diego, einem Arzt aus Spanien, Esther, einer Hebamme aus Deutschland, und Bianca, einer
Psychologin aus Italien. Drei Wochen zuvor sind die insgesamt 28 Freiwilligen im spanischen Burriana an Bord gegangen. „Mit Geflüchteten zu arbeiten, war immer mein Traum, es erfüllt mich“, sagt
die 28-jährige Maria. „Von Beginn an fühlte sich dieses Schiff an, als wäre es der richtige Ort für mich.“
Diego, dem 30-jährigen Allgemeinmediziner, geht es ähnlich: „Mir ist egal, ob die Menschen vor Hunger, Krieg oder etwas anderem geflohen sind. Ich will ihnen
einfach nur helfen.“ Nach einer Quarantäne- und Trainingswoche steuerte der Kapitän das Schiff an Mallorca, Sardinien, Malta und Lampedusa vorbei Richtung libysche Küste. Dort, am Strand der
Hauptstadt Tripolis, haben Amidous Mutter und die anderen ihre Boote bestiegen, in der Hoffnung auf ein besseres Leben. Schwimmwesten gab es nicht, Treibstoff und Trinkwasser hätten niemals bis
Europa gereicht.
Auf alles vorbereitet
Ordentlich sortiert
liegen Schmerz- und Durchfallmittel in Schubladen und Schränken. Die Möglichkeiten, Kranken zu helfen, sind auf einem Schiff begrenzt. Doch die Klinik der „Humanity 1“ ist gut ausgestattet: Es
gibt Medikamente gegen Halsweh, Husten und Pilzinfektionen, Augentropfen, Antibiotika, Impfstoffe. Und zahllose Tuben mit Salbe gegen Verätzungen. Die haben Gerettete oft, weil sie auf ihren
Booten teils tagelang barfuß in einem ätzenden Gemisch aus Treibstoff und Salzwasser saßen. Auf einen Herzstillstand ist die Crew ebenso vorbereitet wie auf kleinere Operationen.
Das Klinikteam versorgt eine geflüchtete Frau (Mitte).
Der nächste Tag beginnt mit einem Notfall: Einer der Geretteten hat einen epileptischen Anfall. Als Diego und Maria ihn stabilisieren und er wieder zu sich
kommt, erfahren die beiden: Er weiß von seiner Krankheit, es gab auf der Flucht nur keine Möglichkeit für ihn, das nötige Medikament zu erstehen. Diego gibt ihm die Tabletten, während Maria nach
Amidou schaut. Das Baby hat noch erhöhte Temperatur, aber es geht ihm schon besser.
Von Sizilien nach Bari: Irrfahrt auf rauer See
Gute Nachrichten auch von der Brücke: Die italienischen Behörden haben dem Kapitän die Genehmigung erteilt, einen
Hafen anzusteuern. Nach fünf Tagen ohne Antwort ist das eine Überraschung, sorgt aber für Verwirrung: Obwohl Sizilien in Sichtweite und ein Sturm vorhergesagt ist, soll die „Humanity 1“ die
Geretteten nach Bari bringen, eine mehr als 600 Kilometer entfernte Hafenstadt an der Adriaküste. Vor
dem Eingang der Klinik hat sich eine Schlange gebildet. Ein junger Mann aus dem Tschad zeigt eine Pilzinfektion am Kopf und klagt über lichtempfindliche Augen. Gekidnappt auf offener Straße, sei
er monatelang in einem libyschen Internierungslager festgehalten worden. Im Dunkeln zusammengepfercht mit Hunderten anderen, sei er krank geworden.
Es sind Geschichten wie diese, die die Arbeit in der kleinen Klinik nur schwer erträglich machen. „Wann immer wir
nachfragen, berichten uns die Menschen von dem grässlichen Albtraum, den sie in Libyen durchgemacht haben“, so Diego. „Sie zeigen uns Narben, die offensichtlich Folterspuren sind, erzählen von
sexuellem Missbrauch, Schlägen und Knochenbrüchen.“
Gefährliche Flucht durch den „gescheiterten Staat“
Die Fluchtroute über das
Mittelmeer gilt als eine der gefährlichsten der Welt, weil so viele ertrinken. Doch was den Menschen aus West- und Zentralafrika auf dem Weg zur Küste widerfährt, ist nur schwer zu
begreifen.
Libyen gilt als „gescheiterter Staat“. Seit dem Sturz des Diktators Muammar al-Gaddafi ist die öffentliche Ordnung
zusammengebrochen, Milizen haben das Sagen. Mehr als 900.000 Menschen sind laut den Zahlen der Vereinten Nationen auf humanitäre Hilfe angewiesen. Lebensmittel und Trinkwasser sind knapp,
Krankenhäuser werden regelmäßig geplündert.
Menschen auf der Flucht schweben in Lebensgefahr, wenn sie das Land durchqueren: Jederzeit könnten sie in eins
der Internierungslager verschleppt werden. „Wir wurden gezwungen, uns gegenseitig zu verprügeln“, sagt der Mann aus dem Tschad, als Diego seine Augen untersucht. Auf seinem Kopf prangt eine
schlecht verheilte Narbe, er sei mit einer Waffe geschlagen worden. Ob er nachts schlafen könne, fragt Diego. Nein, schon lange nicht mehr – in Libyen musste er jederzeit damit rechnen, geweckt
und gefoltert zu werden.
Pullbacks der lybischen Küstenwache – beauftragt von der EU
Auf hoher See scheint
dieses Grauen weit weg – und ist doch so nah: Bei jeder der vier Rettungen der vergangenen Tage tauchte die sogenannte libysche Küstenwache auf. Finanziert und beauftragt von der Europäischen
Union, versuchen die bewaffneten Männer, Geflüchtete auf See abzufangen, um sie zurück nach Libyen zu bringen.
So ein Pullback ist illegal: Würden europäische Behörden das tun, verstießen sie gegen die Genfer Konvention.
Einmal, es ist erst drei Tage her, kam die „Humanity 1“ zu spät. Die Crew war dabei, Schiffbrüchige von einem Schlauchboot zu retten, als der erste Offizier zwei Meilen entfernt ein weiteres Boot
in Seenot entdeckte.
Doch die Libyer waren schneller: Vor den Augen der Retterinnen und Retter zwangen sie die Menschen auf ihr Schiff
und forderten den Kapitän der „Humanity 1“ über Funk auf sich fernzuhalten. Sechs Geflüchtete sprangen vor Verzweiflung ins Wasser und konnten gerade noch gerettet werden. Schiffsarzt Diego
behandelte die völlig unterkühlten Männer: „Sie sagten, sie wären lieber ertrunken, als nach Libyen zurückgebracht zu werden.“
Sprachbarrieren erschweren die Kommunikation
Wenn möglich, kommuniziert das Klinikteam mit Überlebenden auf Englisch. Ist nur Arabisch oder Französisch
möglich, hilft Antoine, ein Rechtsanwalt aus Frankreich, der in Ägypten gelebt hat und als interkultureller Vermittler an Bord ist. Auch andere Crewmitglieder springen immer wieder ein, um zu
übersetzen. Findet sich keine gemeinsame Sprache, gibt es Schautafeln und Bilder, damit die Menschen zeigen können, was ihnen wehtut.
Trotz Sprachbarrieren und Folterberichten: Nach schönen Momenten gefragt, müssen Maria und Diego nicht lange
überlegen. „Eine Frau war völlig dehydriert“, erzählt der 30-jährige Arzt. „Nach mehreren Monaten in Libyen, wo sie sexuell missbraucht wurde, war sie unterernährt und sprach kein Wort. Blutdruck
und Blutzucker waren niedrig, ihr Puls hoch. Es machte mich glücklich, sie nach mehreren Infusionen bei uns an Bord wieder essen und lachen zu sehen.“
Maria muss schmunzeln, als sie von einem Mädchen erzählt: „Sie kam mit ihrer Mama in die Klinik. Als wir die
Mutter untersuchten, lief die Kleine fröhlich tanzend herum und schaute sich alles genau an. Am liebsten hätte sie alle Schubladen geöffnet.“ Ein Achtjähriger, der ganz allein auf der Flucht sei,
finde die Bordklinik genauso spannend, berichtet die Krankenschwester: „Er besucht uns oft und hat sogar schon hier übernachtet. Offenbar ist der Raum für ihn seit Langem der erste sichere Ort
zum Schlafen.“
Endlich an Land – schnelle Hilfe für die dringendsten Fälle
In der letzten Nacht auf See schläft auf der „Humanity 1“ kaum jemand. Das Schiff kämpft sich durch meterhohe Wellen, immer
wieder schwappt kaltes Meerwasser übers Deck. Die aufgespannten Planen schützen wenig vor dem Wind. Vor allem die Männer frieren: Während es für Frauen und Kinder an Bord einen Schutzraum gibt,
schlafen sie an Deck auf dem Boden. Die Crew verteilt Rettungsdecken – und viele Tabletten gegen Seekrankheit.
Als das Schiff am nächsten Morgen in den Hafen einläuft, scheint die Sonne. Aufgeregt drängen sich die 261
Überlebenden an Deck und verfolgen das Anlegemanöver. Die italienischen Behörden und Hilfsorganisationen, die sie in Empfang nehmen werden, fordern Diego und Maria auf, die medizinisch
dringendsten Fälle zuerst auszuschiffen. „Zusammen suchten wir zehn Leute aus“, so Diego später. „Darunter einen Mann mit einer schweren Atemwegsinfektion und zwei schwangere Frauen. Ich fand
die Auswahl schwierig, denn eigentlich waren alle psychisch extrem belastet.“
Amidou und seine Mutter müssen noch etwas warten, bis sie italienisches Festland betreten dürfen. Die Frau aus
Kamerun hat Tränen in den Augen, als sie sich von der Crew verabschiedet. Ihrem Baby geht es sichtlich besser, das Fieber ist verschwunden. Fröhlich lachend streckt Amidou Maria die Händchen
entgegen. „Er hatte wohl nur ein Virus, nichts Schlimmes“, sagt die Krankenschwester. Ob sie so einen Einsatz noch einmal mitmachen würde? „Ja, auf jeden Fall“, sagt die 28-Jährige. „Für viele
der Menschen, die wir gerettet haben, schien es das erste Mal zu sein, dass sich jemand um sie gekümmert hat.“
Quellen:
·UNHCR: Most common nationalities of Mediterranean sea and land arrivals from January
2021.Online: https://data.unhcr.org/... (Abgerufen am 27.02.2023)
Hannover. Die EKD hat die geplante staatliche Unterstützung für das Seenotrettungsbündnis United4Rescue begrüßt. Damit werde ein deutliches Zeichen
für die zivile Seenotrettung gesetzt, erklärte die EKD-Ratsvorsitzende Annette Kurschus . „Die zivile Seenotrettung ist ein öffentlich sichtbarer und starker Protest gegen jeden Versuch,
Flüchtlinge politisch zu instrumentalisieren und rechtlos zu machen“, sagte die westfälische Präses. Insofern bleibe die Seenotrettung eine Mahnung an die Politik, „ihrer Verantwortung
nachzukommen, die Menschenrechte zu schützen und endlich zur staatlichen Seenotrettung zurückzukehren“, betonte sie.
In seiner entscheidenden Bereinigungssitzung für den Bundesetat 2023 hatte der Haushaltsausschuss des Bundestags in der vergangenen Woche entschieden, dem von der EKD initiierten Bündnis
United4Rescue im kommenden Jahr zwei Millionen Euro zur Verfügung zu stellen. Auch in den Folgejahren soll es diese Summe geben. Das Geld soll unter anderem für Rechtsberatung verwendet
werden. Das Bündnis finanziert seine Hilfe im Mittelmeer bislang allein aus Spenden. Der Bundestag berät in der nächsten Woche abschließend über den Haushalt.
Hohe Dunkelziffer
Obwohl das Mittelmeer zu den gefährlichsten Fluchtrouten zählt, gibt es dort keine staatlich organisierte Seenotrettung. Nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration (IOM)
kamen dort seit Beginn des Jahres 1.891 Flüchtlinge und Migranten ums Leben oder werden vermisst. Die Dunkelziffer dürfte viel höher liegen. Zuletzt verweigerte die neue rechtsgerichtete
Regierung Italiens mehreren privaten Rettungsschiffen mit jeweils Hunderten Überlebenden tagelang die Einfahrt.
United4Rescue wurde 2019 von der EKD initiiert. In dem zivilgesellschaftlichen Bündnis sind laut EKD mehr als 850 Organisationen und Gruppen verbunden, die sich für die Seenotrettung im
Mittelmeer engagieren. Neben Organisationen gehören auch Städte und Gemeinden zu dem Bündnis. Kürzlich hat das Bündnis in Hamburg ein neues Schiff getauft, das von der Organisation Sea-Watch
betrieben wird, um Bootsflüchtlinge im Mittelmeer zu retten. (epd)
Hallo Ulrich,
die Crew arbeitet auf unserer zukünftigen
Humanity 1 im Trockendock auf Hochtouren. Der Rumpf der Sea-Watch 4 wurde in den vergangenen Tagen marineblau gestrichen und in Kürze
leuchtet der neue Schriftzug „Humanity 1“ in grüngelber Signalfarbe auf dem Bug!
Wie wir auf die anstehenden Rettungen vorbereiten, erfährst Du in unserem heutigen #BehindTheScenes.
Humanity, das heißt Menschen mit Würde zu behandeln und ihre grundlegendsten Bedürfnisse zu
achten.
Menschen auf der Flucht über das
Mittelmeer müssen meist ihr Hab und Gut in der Heimat zurücklassen. Die meisten gelangen nur mit der von dem ätzenden Benzin-Salzwassergemisch* durchtränkten Kleidung und den wichtigsten
persönlichen Gegenständen an ihrem Körper an Bord des Rettungsschiffs. Die hygienischen Bedingungen auf den seeuntauglichen Booten sind
haarsträubend.
Nach vielen Tagen auf See sind die Menschen
durchnässt, erschöpft, sind dehydriert und ausgehungert und brauchen medizinische Versorgung.
Jede*r Gerettete erhält daher von uns ein Notfall-Kit, in dem sich Hygieneartikel, Kleidung und hochkalorische Notfallnahrung
befinden. Es sind vor allem Dinge, die für unseren Alltag selbstverständlich sind, aber elementar für die Gesundheit und das Wohlbefinden der
Überlebenden an Bord.
Woraus besteht ein
Notfall-Kit?
Trockene und warme
Kleidung direkt nach Ankunft an Bord ist essenziell, um sich aufzuwärmen und warm zu bleiben. Besonders im Winter sind die
Menschen nach der langen Zeit in den Booten völlig unterkühlt. Das Kit enthält neben Hose, Pulli, T-Shirt, 3 Paar Socken und Unterwäsche auch
eine Mütze. Außerdem gehört zur
Ausstattung eine
dicke Fließdecke, die nach Reinigung an Bord weiterverwendet wird.
Um die grundlegendsten hygienischen Bedürfnisse
wie Waschen, Duschen und Zähneputzen an Bord erfüllen zu können, bekommen die Geretteten ein Handtuch, Zahnbürste, Zahnpasta und
Seife.
Außerdem erhalten die vielfach unter Wassermangel
leidenden Geretteten ein erstes Notfallpaket mit Trinkwasser sowie hochkalorischer Nahrung. Denn die Tage in den Booten
haben die Menschen vollkommen ausgezehrt.
Wir sind sehr froh ab Ende August wieder im Einsatz sein
zu können, um Menschen in Seenot zu retten und mit Menschlichkeit zu begegnen.
Viele Grüße von deinem SOS Humanity-Team
#TogetherForRescue
P.S.: Ein Rescue Kit für eine Person kostet 30€. Deine Spende hilft, unsere Humanity 1 für die kommenden Einsätze
auszustatten und damit Leben zu retten!
vor wenigen Tagen jährte sich die Verwüstung des Geflüchtetenlagers Moria durch mehrere Feuer. Die
Bilder der vor den Bränden fliehenden Menschen gingen um die Welt. Auf die Versprechen einer „europäischen Lösung“ für die humanitäre Katastrophe an den
EU-Außengrenzen folgte stattdessen die Errichtung von „Moria 2.0“ und eine noch stringentere Abschottungspolitik.
Was dieses Warten auf eine europäische Lösung konkret für die Menschen bedeutet, die auf der Suche nach einem sicheren Leben versuchen, Europa zu erreichen, haben
wir diese Woche in unserem ganz persönlichen Bundestagswahlspot „Menschenrechte sind #unverhandelbar“ gemeinsam mit unseren Freund:innen von LeaveNoOneBehind und
United4Rescue gezeigt.Das Video findest Duhier.
Die menschenverachtenden Zustände an den EU-Außengrenzen sind keine Naturkatastrophe, sondern Resultat
des mangelnden politischen Willens! Die zivile Seenotrettung und weitere Initiativen an den Außengrenzen führen der EU Tag für Tag aufs Neue vor Augen, dass wir
bereit sind, zu retten. Hinter uns steht ein breites, zivilgesellschaftliches Bündnis, doch trotz zahlloser aufnahmebereiter Kommunen und sicherer Häfen verweigert
der Bund weiterhin die Aufnahme von Flüchtenden.
Menschenrechte sind #unverhandelbar, deswegen fordern wir von der neuen Bundesregierung:
das Ende der Kriminalisierung von Menschen auf der Flucht
eine EU-finanzierte und -organisierte Seenotrettung
die Evakuierung sämtlicher Lager
Bleiberecht für alle, die bleiben wollen!
Hinter der EU-Abschottungspolitik stehen tausende Politiker:innen, die in den letzten Jahren durch ihr Abstimmungsverhalten und ihr
Wegschauen zu dieser humanitären Katastrophe beigetragen haben.
Seebrücke Jahresrückblick 2021
Ein turbulentes Jahr geht zu Ende und Corona hält uns noch immer in Atem. Trotzdem war dieses Jahr wieder unglaublich viel los und wir blicken dankbar auf das
vergangene Jahr zurück:Heute ist es Zeit, Danke zu sagen!
Du hast die Seebrücke in diesem Jahr unterstützt:Mit Deinem Engagement als Aktivist*in, als Spender*in,
als Förder*in. Dafür danken wir Dir von ganzem Herzen!Auch dieses Jahr konnten wir einige Erfolge feiern:
Gemeinsam haben wir eine starke Bundestagswahl-Kampagne auf die Beine gestellt und in hunderten Aktionen in den Lokalgruppen, zwei Aktionstagen und einer großen
Aktion vor dem Bundestag gezeigt: Menschenrechte sind #unverhandelbar! Lauthals haben wir für dieAufnahme
aus Afghanistan gestritten, sind für Seenotrettung auf die Straßen gegangen, haben eine #Luftbrücke gefordertund die politischen Verantwortlichen zum Handeln gezwungen.
Auch dieses Jahr haben sich weitere Kommunen zu Sicheren Häfen erklärt: Über 70 neue Orte sind dazugekommen.Alleine in Deutschland streiten heute knapp 300 Kommunen für eine zusätzliche Aufnahme von geflüchteten
Menschen.Das ist unser Aller Erfolg! Alle zusammen haben wir es geschafft, migrationspolitische Themen in
die Öffentlichkeit zu rücken. Gemeinsam und mit Deiner Hilfe konnten wir viel bewegen – doch unser Ziel ist noch nicht erreicht.Auch im kommenden Jahr braucht es den Druck auf der Straße und eine laute Stimme der Zivilgesellschaft für die
Menschenrechte.Unterstütze die Seebrücke jetzt mit einer Förderspende und ermögliche damit
einenkraftvollen Start ins Jahr 2022!
In das Jahr 2021 ist die Seebrücke mit bundesweiten Aktionen unter dem Slogan„Aufnahme statt
Abschottung“gestartet. Ein paar Monate nach dem Brand in Moria wütete im Januar ein Feuer auch im
Camp Lipa in Bosnien. Hierbei verloren über 1.000 Menschen ihr letztes Dach über dem Kopf und wurden dadurch schutzlos Schnee und Kälte ausgesetzt. Mit Aktionen
hat die Seebrücke klar und ausdrücklich gefordert:Schluss mitAbschottung, bringt die Menschen in Sicherheit!
#TheyLetThemDrown
Im April ereignete sich ein tragisches Szenario: Über 100 Menschen haben bei einem Seenotfall im Mittelmeer ihr Leben verloren. Dies war kein Unfall –sowohl
europäische als auch libysche Behördenwusstenüber den Notfall bescheid, es wurde trotzdem keine
Rettung eingeleitet. Es war ein politisch gewolltes Sterbenlassen durch die EU. Am darauf folgenden Wochenende am 24. und 25. April startete die
Seebrücke daher Aktionstage und in Dutzenden Lokalgruppen wurde der Protest auf die Straßen gebracht.
#FamilienlebenFürAlle
Am 15. Mai 2021, dem internationalen Tag der Familien, hat die Seebrücke gemeinsam mit der Initiative Familiennachzug Eritrea und ProAsyl vor dem Auswärtigen Amt
in Berlin eine Demonstration organisiert. Tausende Menschen, darunter viele Familien und Kinder, die selbst von der unmenschlichen Praxis des
Auswärtigen Amtes betroffen sind, waren auf der Straße und haben vom Außenminister gefordert:Die Blockade
des Familiennachzugs muss beendet werden. Diese Politik ist geflüchteten- und familienfeindlich: Der Nachzug von Familien muss möglich
sein! Die Seebrücke kämpft an der Seite von etwa 1.000 geflüchteten Menschen aus Eritrea, denen seit vielen Jahren das Recht auf Familiennachzug
verwehrt wird. Denn als Seebrücke kämpfen wir auch dafür, dass jeder Mensch das Recht hat, mit seiner Familie zusammen zu leben:#FamilienLebenfürAlle!
Die Bundestagswahl hat die Seebrücke in diesem Jahr besonders beschäftigt und gemeinsam mit anderen Organisationen haben wir die Kampagne Menschenrechte sind #unverhandelbargestartet,
um allen Parteien klar zu demonstrieren:Wir nehmen es nicht hin, wenn Menschenrechte und
Menschenleben zur Verhandlungsmasse gemacht werden!Zum Start der Kampagne waren die Seebrücke
Lokalgruppen in über 50 Städten mit tausenden Menschen deutschlandweit am World Refugee Day auf den Straßen und haben unsere Stimme für die Menschenrechte
erhoben! Ebenfalls waren wir am 7. August – am Tag der Seenotrettung – mit einem breiten Bündnis europaweit auf der Straße und haben
gefordert:Seenotrettung ist #unverhandelbar!
Eine Woche vor der Bundestagswahl haben wir ein riesigesMosaikaus 48.000 Fotos auf der Wiese vor dem Bundestag ausgebreitet. Hunderte Aktivist*innen und Du mit Deiner
Spende haben dieses eindrucksvolle Aktionsbild möglich gemacht. Danke für diese Unterstützung!
Die einzelnen Fotos waren Abbildungen von Politiker*innen und Entscheidungsträger*innen, die z.B. durch Aussagen oder ihr Abstimmungsverhalten in den letzten
Jahren maßgeblich zu der Abschottung Deutschlands und Europas beigetragen haben. Die Tausenden Fotos waren auf der Wiese so angeordnet, dass sie alle zusammen
– aus der Höhe betrachtet – eingroßes Bild ergeben haben, welches symbolisch für die europäische
Abschottungspolitik und ihre tödlichen Grenzen steht.Mit dieser Aktion haben wir es geschafft, kurz vor
der Wahl nochmals aufzuzeigen, wer mitverantwortlich für die Tausenden Toten an den EU Außengrenzen ist und abgewählt werden muss!
Wie das größte Mosaik der Welt entstanden ist, siehst Du in diesem Video:
Moving Cities - eine andere Migrationspolitik ist möglich!
Europäische Bürgermeister*innen erheben ihre Stimmen!
Seit mehr als drei Jahren streiten wir bereits gemeinsam mit knapp 300 Kommunen in Deutschland für eine solidarische Migrationspolitik und eine zusätzliche
Aufnahme von geflüchteten Menschen. Ende Juni hat die Seebrücke gemeinsam mit der Stadt Potsdam und Palermo dieeuropäische Städte-Konferenz “From the Sea to the City” in Palermoorganisiert. Bei dieser Konferenz kamen insgesamt40
Bürgermeister*innen aus neun verschiedenen Ländernzusammen und haben sich klar und deutlich gegen
die Lager an den EU-Außengrenzen und für eine solidarische Aufnahme und Verteilung von geflüchteten Menschen in Europa ausgesprochen. Auf dem Kongress wurde das
europäischeBündnis European Safe Harbours gegründet, das nun gemeinsam mit der Seebrücke für eine
solidarische Migrationspolitik auf europäischer Ebene streitet. Hiermit haben wir denProtest der Städte
und Kommunen auf die europäische Ebene gehoben. Das ist ein großer politischer Erfolg!
Am 21. Oktober 2021 ist nach zwei Jahren Recherchearbeit die PlattformMoving Cities online gegangen: Dieses Mapping zeigt in fünf Sprachen, dass über 700
Städte aus ganz Europa eine solidarische Migrationspolitik unterstützen. Diese Website bietet einen Einblick in 28 progressive
und solidarische Städte und ihre Strategien zur Aufnahme von geflüchteten Menschen in zehn europäischen Ländern. Das Projekt Moving
Cities zeigt:Eine andere Migrationspolitik ist nicht nur möglich, sondern findet bereits
statt. Während nationale und EU-geführte politische Reformen seit Jahren in einer Sackgasse stecken, setzen sich bereits mehr als 600
Kommunen von Polen bis Portugal für eine solidarische Migrationspolitik ein und Dutzende Städte gehen mit innovativen
lokalen Lösungen mit gutem Beispiel voran.
Wir sind überzeugt, dass eine Bewegung für solidarische Migrationspolitik in Europa nur europaweit gedacht werden kann.Die Datenbank-Karte der Moving Cities und die Konferenz in Palermo waren ein großer Schritt für die Vernetzung auf
europäischer Ebene. Um den notwendigen Druck für politische Veränderungen auf EU-Ebeneallerdings auch europaweit realisieren zu können, braucht die Seebrücke im kommenden Jahr Deine Unterstützung. Spende jetzt,
damit wir 2022 diese Stoßrichtung weiter vorantreiben können!
Als die Taliban im August 2021 die Macht in Afghanistan übernommen haben, waren wir als Seebrücke mit tausenden Menschen auf der Straße und haben mit
Demonstrationen und Aktionen in ganz Deutschland gefordert:Luftbrücke jetzt! Schafft sichere Fluchtwege
aus Afghanistan! Gemeinsam mit anderen Organisationen haben wir uns für schnelle Evakuierungen aus Afghanistan eingesetzt.
#GrünesLichtfürAufnahme
Zum Tag des Mauerfalls sind Aktivist*innen der Seebrücke zusammen mit dem BündnisMauerfall.jetztmit einem Bus an die polnisch-belarussische
Grenze gefahren, haben Sachspenden an polnische Organisationen übergeben und an das Bundesinnenministerium appelliert:Wir könnten jetzt sofort Menschen mit dem Bus in Sicherheit bringen!Gleichzeitig haben wir am Wochenende des ersten Advent gemeinsam mit der Organisation Campact e.V. 9.000 grüne
Lichter vor dem Bundestag aufgestellt und mit diesem starken Aktionsbild #GrünesLichtFürAufnahme gefordert.
Im kommenden Jahr haben wir Vieles vor!
Wir sehen es als eine Chance, dass es eine neue Bundesregierung gibt: Doch ohne unser aller Druck auf der Straße wird auch diese Bundesregierung
nicht die Situation von geflüchteten Menschen an den Außengrenzen Europas verbessern. Deswegen braucht es uns heute mehr denn je! Auch im nächsten Jahr
werden wir mit großen Aktionstagen, öffentlichkeitswirksamen Aktionsbildern, Veranstaltungen und Diskussionen die Bundesregierung unter Druck setzten und klar
und deutlich aufrufen:ES IST ZEIT ZU HANDELN!
Gemeinsam mit Kommunen in Deutschland und Europa wollen wir eine solidarische Migrationspolitik Realität werden lassen.
Für all das und viele weitere Vorhaben brauchen wir weiterhin Support von vielen Menschen und auch Deine Unterstützung!Die Seebrücke finanziert sich ausschließlich über Spenden und Förderungen, allerdings besteht der Großteil der
Spenden bisher aus Einzelspenden. Gesellschaftliche Veränderungen brauchen aber einen langen Atem und daher eine finanzielle Planungssicherheit. Fördere auch Du
die Seebrücke mit einem monatlichen Betrag von 10 Euro und engagiere Dich für eine solidarische Zukunft!
2021 haben wir gezeigt: Gemeinsam sind wir stark – und wir können noch viel mehr gemeinsam tun, um die Migrationspolitik in Deutschland und Europa dauerhaft
zum Besseren zu verändern.
Die Corona-Pandemie verdrängt das Thema Migration und Flucht. Doch nach wie vor leiden Flüchtlinge in Lagern an den Grenzen Europas – oder sterben auf ihrem Weg über das Mittelmeer.
Flüchtlinge an Bord der Sea-Watch 4 im August 2020
von Dieter Sell. 13.1.2021
Bremen. Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, hat erneut und scharf die Blockade von Schiffen kritisiert, die Menschen im Mittelmeer vor
dem Ertrinken retten. Das lasse Europa zu, während die europäischen Staaten gleichzeitig ablehnten, selbst die Seenotrettung wieder aufzunehmen, sagte der Theologe bei einem
Online-Symposium der Bremischen Evangelischen Kirche zu Migration und Flucht. Auch im neuen Jahr seien bereits wieder Menschen ertrunken: „Das ist ein moralischer Skandal.“
Europa verrate so seine eigenen ethischen Traditionen, mahnte Bedford-Strohm. „Aus der Sicht christlicher Grundorientierungen ist es für das Hilfshandeln nicht entscheidend, warum Menschen in
Lebensgefahr geraten, sondern nur, dass sie in Lebensgefahr sind.“ Dann müsse man schlicht retten. Alle politischen Diskussionen um die Steuerung von Migration und um den Umgang mit
Asylsuchenden könnten und müssten geführt werden: „Aber nicht anstatt des Rettens von Menschenleben. Die Rettung hat immer Vorrang.“
Von Humanität geprägt
Deshalb appelliere er gerade an die europäischen Staaten, die sich besonders auf das Christentum bezögen, die damit verbundenen ethischen Grundorientierungen endlich ernst zu nehmen. Sie
müssten gemeinsam mit allen Staaten Europas eine Flüchtlingspolitik entwickeln, die nicht von Abschottung, sondern von Humanität geprägt sei.
Ebenfalls kritisierte Bedford-Strohm, dass das Seenotrettungsschiff „Sea-Watch 4“ weiterhin an einem Einsatz auf dem
Mittelmeer gehindert werde. „Daran konnte auch ein Gespräch nichts ändern, das ich im November mit der italienischen Verkehrsministerin Paola de Micheli und dem Chef der
italienischen Küstenwache geführt habe“, sagte er.
Das von der EKD mitfinanzierte Schiff ist im September von den italienischen Behörden in Palermo festgesetzt worden, nachdem es bei seinem ersten Einsatz mehr als 350 Menschen aus Seenot
gerettet hatte. Zur Begründung waren angebliche Sicherheitsmängel genannt worden. „Es geht dabei zum Beispiel darum, dass die Sea-Watch 4 nicht als Rettungsschiff registriert ist“, sagte
Bedford-Strohm. Es gebe im Flaggenstaat Deutschland aber gar keine Registrierung als Rettungsschiff.
Sea-Watch gehe auch juristisch gegen die Blockade vor. „Die Entscheidung wurde jetzt vom Verwaltungsgericht in Palermo an den Europäischen Gerichtshof verwiesen. Ob die Festsetzung des
Schiffes ausgesetzt werden soll, entscheidet sich am 26. Januar.“
Von wegen „Erfolg“
Zur gesunkenen Zahl an Asylanträgen in Deutschland im vergangenen Jahr sagte Bedford-Strohm, das sei für ihn nicht der richtige Weg. Es sei eine Schande, dass Europa die erbärmlichen Umstände
in Flüchtlingslagern wie auf der griechischen Insel Lesbos und im bosnischen Camp Lipa zulasse. „Wenn Flüchtlingszahlen in Europa nicht durch die Beseitigung der Not, sondern aufgrund von
Abschreckung durch menschenunwürdige Zustände gesenkt werden, dann ist das kein Erfolg, sondern eine moralische Bankrotterklärung.“
Nach der vom Bundesinnenministerium in Berlin veröffentlichten Asylstatistik wurden im vergangenen Jahr etwa 76.000 Erstanträge von Einreisenden auf Schutz in Deutschland gestellt, fast ein
Drittel weniger als im Vorjahr. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hatte die Zahl mit den Worten kommentiert, die Maßnahmen zur Steuerung der Migration wirkten, „wir sind auf dem richtigen
Weg“.
Zusammen mit Vertretern der Friedrich-Ebert-Stiftungund der Arbeiterwohlfahrt (AWO)betonte Bedford-Strohm, das Thema Migration und Flucht müsse trotz Corona-Pandemie wieder in den politischen Fokus. Deshalb
plädierte der Präsident des AWO-Bundesverbandes, Wilhelm Schmidt, für eine Zusammenarbeit und für mehr mediale Aktivität. (epd)
Seit Jahren werden die Crews unserer Luftaufklärungsmission Airborne im zentralen
Mittelmeer wiederholt Zeug*innen des völkerrechtswidrigen Handelns der europäischen Grenzschutzagentur Frontex. Auch gestern flogen wir wieder eine
Mission über der libyschen Such- und Rettungszone, um sicher zu stellen, dass das zentrale Mittelmeer auch während der Wintermonate nicht zu einem blinden
Fleck wird.
Foto: Friedrich Bungert
Laut Genfer Flüchtlingskonvention und europäischem Menschenrecht ist es nicht erlaubt, Menschen in Staaten zurückzubringen, in denen
ihnen Folter oder andere schwere Menschenrechtsverletzungen drohen. Zu jenen Staaten zählt auch das Bürgerkriegsland Libyen. Da diese aktiven Zurückweisungen
explizit verboten sind, hilft Frontex stattdessen bei sogenannten „Pull-Backs“, mit denen Geflüchtete nicht von EU-Einheiten selbst, sondern von der
EU-finanzierten sogenannten libyschen Küstenwache nach Libyen zurückgebracht werden. Mit anderen Worten: Die EU lagert die Drecksarbeit ihres tödlichen
Grenzregimes einfach aus. Verantwortlich ist sie aber trotzdem, denn diese Pull-Backs werden nicht selten aus der Luft unter Beteiligung von Flugzeugen der
Grenzschutzagentur eingeleitet. “Das ist als würde man einen Auftragsmörder engagieren und anschließend behaupten, man habe mit dem Mord nichts zu tun gehabt” so
Felix, der seit Jahren als Teil der Flugzeugcrew eben diese Praxis aus der Luft mitbeobachtet.
Unsere Airborne Crew bezeugt einen Pull-Back der sogenannten Libyschen Küstenwache
Bei solchen völkerrechtswidrigen Praktiken ist es kein Wunder, dass Frontex mit allen Mitteln versucht, Informationen vor der
europäischen Zivilbevölkerung zurückzuhalten. Nicht nur leugnet Frontex nach wie vor die von ihnen verursachten Menschenrechtsbrüche, die Agentur geht aktuell auch
aktiv gegen Menschen vor, die Licht in die dubiosen Machenschaften von Frontex bringen wollen. Nachdem Aktivist*innen im letzten Jahr eine Auskunftsklage gegen Frontex
verloren hatten, stellte Frontex ihnen Anwaltskosten im 5-stelligen Bereich in Rechnung. Frontex klagt dieses Geld nun ein, um an den Aktivist*innen ein Exempel zu
statuieren und auf Nummer sicher zu gehen, dass sich in Zukunft niemand mehr traut, Transparenz einzufordern. Eine Grenzschutzagentur, die im Auftrag der Europäischen
Union mit undurchsichtigen Methoden Schutzsuchende an Europas Grenzen abweist und an Menschenrechtsverletzungen beteiligt ist, ist nicht haltbar!
Foto: Viktor Poisson
Heute ist Tag der Migrant*innen - und zu diesem Anlass ziehen wir traurige Bilanz: Europa ist Schauplatz ständiger Verletzungen der
Rechte von Flüchtenden geworden. Wir sind fassungslos, dass auch in diesem Jahr bereits mindestens 1000 Menschen auf der Suche nach einem sicheren Leben ertrunken
sind und Tausende mehr bei ihrem Versuch, das Mittelmeer zu überqueren, zurück ins Bürgerkriegsland Libyen verschleppt wurden.
Es muss klar benannt werden: Die humanitäre Krise an den EU-Außengrenzen ist kein Zufall, sondern politischer Wille
und Teil der rassistischen, europäischen Migrationspolitik! Frontex ist nichts anderes als das klägliche und menschenverachtende Produkt der seit Jahren von der EU
betriebenen Abschottungspolitik.
Mit Hilfe der Daten, die unsere Airborne-Crew von der Luft aus erhebt, können Akteure wie Frontex für ihre Menschenrechtsverletzungen
zur Verantwortung gezogen werden. Unsere Arbeit soll so auch jenen eine Stimme geben, die ihr Leben auf der Überfahrt verlieren oder mit Beteiligung der EU daran
gehindert werden, Europa sicher zu erreichen. Darum bleiben wir als ziviles Auge auch 2021 über dem zentralen Mittelmeer aktiv und fordern: Frontex
auflösen!
Wir werden auch weiterhin alles in unserer Macht stehende unternehmen, um Frontex und den ständigen Menschenrechtsverletzungen an
unseren Außengrenzen etwas entgegenzusetzen.
Hilf uns durchDeine SpendeoderFördermitgliedschaft. Gemeinsam gegen die tödliche Migrationspolitik Europas - auf dem Wasser,
in der Luft und an Land!
Bündnis United4Rescue finanziert mit der Sea-Eye-4 ein weiteres Rettungsschiff
EKD Ratsvorsitzender Heinrich Bedford-Strohm unterstreicht die Notwendigkeit der zivilen Seenotrettung
Das Bündnis für Seenotrettung United4Rescue, dem mittlerweile mehr als 660 Bündnispartner angehören, will den Kauf und maßgeblich auch den Umbau des neuen Rettungsschiffes “SEA-EYE 4”
finanzieren.
Der Ratsvorsitzende der EKD, Heinrich Bedford Strohm, begrüßt die Finanzierung des neuen Bündnisschiffes: "Ich bin dankbar dafür, dass Sea Eye nun ein weiteres Schiff in den Einsatz im
Mittelmeer bringen kann. Gerade die letzten Tage haben gezeigt, wie dringend notwendig das ist. Das konkrete Handeln der zivilen Seenotretter überwindet die Ohnmacht, die wir empfinden, wenn
wir die Bilder von ertrinkenden Menschen im Mittelmeer sehen. Nur durch unsere Unterstützung können sie gerettet werden."
Bedford-Strohm dankt den Unterstützern
Bedford-Strohm dankte den vielen Unterstützern des Bündnisses United4Rescue: "Die Hilfe bei der Finanzierung eines weiteren Rettungsschiffes ist jetzt möglich, weil so viele Menschen auf
das Spendenkonto von United4Rescue eingezahlt haben, um die Überzeugung zum Ausdruck zu bringen, die uns alle verbindet: Man lässt Menschen nicht ertrinken. Die Sea Eye 4 kann einen
weiteren wichtigen Beitrag dazu leisten, dass diesem Satz Taten folgen."
Bedford Strohm machte darüber hinaus deutlich, dass die evangelische Kirche auch in Zukunft solidarisch an der Seite der zivilen Seenotretter stehen wird: "Wir werden die zivile
Seenotrettung nach Kräften unterstützen, solange Menschen weiter zu Hunderten im Mittelmeer ertrinken und niemand sonst sie rettet. Und ich bin sehr dankbar dafür, dass so viele Menschen
in unserem Bündnis United4Rescue sich daran beteiligen."
Das Rettungsschiff wird derzeit umgebaut
Das ehemalige Offshore-Versorgungsschiff (Baujahr 1972, 55 m lang, 11 m breit) wird aktuell zum Rettungsschiff umgebaut und durch die Seenotrettungsorganisation Sea-Eye e.V. betrieben.
Die “SEA-EYE 4” ist deutlich größer als die “ALAN KURDI”, das derzeitige Rettungsschiff der Organisation.
United4Rescue will neben dem Kaufpreis auch maßgeblich den Umbau des Rettungsschiffes finanzieren. Insgesamt will sich das Bündnis mit 434.000,00 € am Projekt beteiligen. Um die “SEA-EYE
4” möglichst schnell in den Einsatz schicken zu können, hat United4Rescue eine Spendenkampagne auf der Website http://www.wirschickennocheinschiff.de gestartet.
INTERVIEW MIT BEDFORD-STROHM
„Ein starker Moment in der deutschen Geschichte“
Vor fünf Jahren kamen Zehntausende Flüchtlinge am Münchner Hauptbahnhof an - Landesbischof Bedford-Strohm hat das Geschehen am Münchner
Hauptbahnhof hautnah miterlebt. Im Gespräch erklärt er seine Eindrücke über das historische Moment.
Der Münchner Spätsommer 2015 ist in die Geschichte eingegangen. Tag für Tag kamen damals in der ersten
Septemberhälfte Tausende Flüchtlinge über die Balkan-Route nach München. Sie waren wochenlang unterwegs, kamen vor allem aus Syrien und Afghanistan und wagten den lebensgefährlichen Weg über das
Mittelmeer nach Griechenland, weiter nach Mazedonien, Serbien, Ungarn und Österreich. Ihr Sehnsuchtsort: Deutschland. Der bayerische Landesbischof und Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in
Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, hat das mittlerweile historische Geschehen im September 2015 hautnah miterlebt: am Münchner Hauptbahnhof und auf der Balkan-Route selbst. Im Gespräch
blickt er zurück.
Sie wohnen und arbeiten in München, Ihr Büro liegt nur wenige Meter vom Hauptbahnhof entfernt. Wie haben Sie
damals die Ankunft der Tausenden Flüchtlinge erlebt?
Heinrich Bedford-Strohm: Bei einem gemeinsamen Mittagessen haben Erzbischof Reinhard Marx und ich uns über die ankommenden Flüchtlinge unterhalten und
dann spontan beschlossen, zum Hauptbahnhof zu gehen, um uns selbst ein Bild von der Lage zu machen. Es war unglaublich. Zum einen die Flüchtlinge, die sichtlich erschöpft von ihrer Reise waren,
aber auch sehr glücklich, endlich willkommen geheißen zu werden, nachdem sie in jedem Land, das sie durchquert hatten, unerwünscht waren. Zum anderen die vielen Ehrenamtlichen, die die Menschen
herzlich begrüßt und mit dem Nötigsten versorgt haben – Essen, Trinken, Hygieneartikel und auch Kleinigkeiten für die Kinder. Das hat mich sehr bewegt, das war ein starker Moment in unserer
deutschen Geschichte.
Haben Sie damals schon geahnt, dass Sie einen historischen Moment erleben?
Ja, das habe ich schon geahnt. So etwas haben wir in unserem Land ja noch nie erlebt. Man hat gespürt, welche Kraft
in unserer Gesellschaft steckt. Polizei, Verwaltung, Ehrenamtliche, auch unsere Kirchengemeinden, haben innerhalb kürzester Zeit eine Infrastruktur geschaffen, um die Flüchtlinge zu versorgen und
dann weiter in Unterkünfte zu verteilen. Das hat doch vorher kaum jemand für möglich gehalten, dass so viel spontane Hilfsbereitschaft da ist.
Die Flüchtlinge kamen damals zu Zehntausenden über die sogenannte Balkan-Route nach Deutschland. Sie sind im
September 2015 selbst nach Ungarn und Serbien gereist und haben sogar den Moment miterlebt, als Ungarn seine EU-Außengrenze geschlossen hat – und damit auch die Balkan-Route.
Das war eine sehr bewegende Reise. Denn plötzlich bekamen all die Nachrichten und Zahlen, wie viele Flüchtlinge
eigentlich unterwegs sind, ein Gesicht. Besonders in Erinnerung sind mir noch die Bilder, als ich an der ungarisch-serbischen Grenze an den Bahngleisen den Flüchtlingen entgegengelaufen bin. All
diese Menschen, die quasi in letzter Minute noch die offene Grenze passieren und die Europäische Union erreichen wollten. Ich habe Menschen getroffen, die alles verloren hatten: ihre Angehörigen
oder Freunde, ihr Hab und Gut – entweder im Krieg oder bei der gefährlichen Bootsüberquerung im Mittelmeer. Hinter jedem einzelnen dieser Menschen steckt eine leidvolle Geschichte. Als Ungarn
sein letztes Grenzstück zu Serbien geschlossen hatte, sind wir weiter Richtung Süden gefahren zur serbisch-mazedonischen Grenze. Dort haben mir die Flüchtlinge erzählt, dass sie trotz der
geschlossenen EU-Grenze nicht umkehren werden. Spätestens da war klar: Eine Verbarrikadierung der EU vor den Flüchtlingen ist der falsche Weg.
Was wäre der richtige gewesen Ihrer Meinung nach?
Damals wie heute hätte es legale Fluchtwege in die EU gebraucht. Man kann nicht einfach die Grenzen zumachen, die
Augen vor dem Leid der Menschen verschließen und die Verantwortung gegenüber den Flüchtlingen allein Ländern außerhalb der EU zuschieben. Oder die Flüchtlinge auf lebensgefährliche Fluchtwege
zwingen. Wir sind christlich geprägt und haben daher eine Verantwortung für Menschen in Not. Alle Länder müssen ihren Teil der Verantwortung tragen.
Das beste Mittel ist immer noch, den Menschen in ihrer Heimat ein Leben mit Perspektiven zu ermöglichen: Dazu
braucht es etwa eine vernünftige Klimapolitik. Denn wenn der Klimawandel weiter voranschreitet, müssen die Menschen irgendwann vor Dürre und Hunger fliehen. Es braucht außerdem eine vernünftige
Handelspolitik. Es kann zum Beispiel nicht sein, dass wir billige Hähnchenteile aus der EU nach Afrika schicken und so afrikanischen Kleinbauern das Geschäft wegnehmen. Wir müssen also – wie es
etwas sperrig heißt – die Fluchtursachen bekämpfen. Das machen wir Kirchen mit unserem weltweiten Netzwerk und unserer Entwicklungsarbeit ja seit jeher.
Haben die EU und Deutschland aus dem Jahr 2015 gelernt? Immerhin sitzen derzeit immer noch Tausende Flüchtlinge
auf der griechischen Insel Lesbos fest. Aber so richtig interessiert das gerade niemanden.
Was seit Jahren auf Lesbos passiert, ist ein Skandal. Dort sitzen nach meiner Information mindestens 16.000
Flüchtlinge unter menschenunwürdigen Bedingungen fest. Die hygienischen Bedingungen sind katastrophal, aufs Essen müssen die Menschen stundenlang warten. Stellen Sie sich vor, was passiert, wenn
dort Corona ausbricht. Dann hätten wir eine noch größere humanitäre Katastrophe. Dass die EU nicht einmal in der Lage ist, 1.600 Kinder und Jugendliche von dort aufzunehmen, ist unfassbar.
Diejenigen EU-Länder, die helfen wollen, sollten eine Koalition der Willigen bilden und nicht darauf warten, bis sich alle EU-Staaten einig sind.
Die Menschen, die die Asylsuchenden am Münchner Hauptbahnhof willkommen geheißen haben, wurden schnell von
manchen verächtlich als „Bahnhofsklatscher“ betitelt, Flüchtlingshelfer als „Gutmenschen“. Wurde im Spätsommer 2015 der Weg geebnet für den Aufstieg der AfD und Rechtspopulisten?
Natürlich hat es infolge der Ereignisse Hetze und Hass von rechtspopulistischer Seite gegeben. Verstärkt wurde diese
Dynamik durch die sozialen Netzwerke – Angst- und Hassbotschaften werden nun mal häufiger angeklickt und durch die Algorithmen nach oben gespült. Daher war es auch nicht gerade förderlich, dass
Politiker, wie etwa der damalige Finanzminister und heutige Ministerpräsident Markus Söder (CSU), Begriffe wie „Asyltourismus“ oder „Asylmissbrauch“ in den Mund genommen haben. Das hat den
Rechtspopulisten nur in die Hände gespielt. Ich will aber auch betonen: Markus Söder hat sich später von seinen Aussagen distanziert. Dafür war ich sehr dankbar, das war ein Zeichen von Größe und
Ausdruck eines Lernprozesses, vor dem ich großen Respekt habe. Ich bin jedenfalls froh, dass sich am Ende die Stimmen der Vernunft durchgesetzt haben. Man holt sich ja keine Stimmen von der AfD
zurück, indem man selbst deren Wortwahl gebraucht.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat 2015 ihren berühmten „Wir schaffen das“-Satz gesagt. Jetzt fünf Jahre
später: Haben wir es tatsächlich geschafft?
Dass eine Regierungschefin in einer schwierigen Situation nicht Angst verbreitet, sondern Zuversicht, sollte eine
Selbstverständlichkeit sein. Natürlich hat es Schwierigkeiten gegeben, das war ja zu erwarten. Wir mussten ja erst einmal lernen, wie wir all die Menschen integrieren können. Das klappt zum
Beispiel besser in dezentralen Unterkünften und nicht in großen Sammelunterkünften, wo die Stimmung wegen der mangelnden Privatsphäre schnell mal aggressiv werden kann. Und natürlich klappt die
Integration nicht bei jedem gleich gut. Aber inzwischen sind rund eine halbe Million Flüchtlinge entgegen aller anfänglichen Befürchtung in Arbeit oder Ausbildung. Das ist doch eine riesige
Leistung und eine Erfolgsgeschichte für unser Land! (epd/mig)
„Sea-Watch 4“ rettet über 200 Menschen aus Seenot
Seit Freitag patrouilliert die „Sea-Watch 4“ in der Rettungszone vor Libyen.
24.08.2020
Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Interessierte,
unser Schiff rettet Leben:
Nach drei Einsätzen in weniger als 48h befinden sich aktuell mehr als 200 Gerettete an Bord der Sea-Watch 4!
Nach zwei ersten Rettungen von rund 100 Bootsflüchtlingen am Wochenende, entdeckte die Besatzung heute in den frühen Morgenstunden erneut ein überfülltes und seeuntaugliches Schlauchboot!
Bei rauem Wetter wurden unsere beiden Schnellboote ausgesetzt und das Rettungsteam verteilte Rettungswesten an die Menschen, bevor sie an Bord unseres Schiffs gebracht wurden. Viele der
Geretteten sind in schlechtem gesundheitlichen Zustand – aber in Sicherheit. Sie werden jetzt beruhigt, versorgt und von Ärzte ohne Grenzen medizinisch betreut.
Dass unser Schiff in weniger als 48 Stunden so viele Menschen retten konnte zeigt, wie viele Schlauchboote in diesem Sommer wieder die lebensgefährliche Überfahrt wagen.
Wir freuen uns mit der Besatzung, dass alle Rettungen gut und ohne Zwischenfälle verliefen. Aber wir denken auch an alle Boote, die gerade auf dem Weg sind und nicht das Glück haben, den
Weg der Sea-Watch 4 zu kreuzen, gesichtet und gerettet zu werden.
Nun wird es bald darum gehen, dass unser Schiff einen sicheren Hafen zugewiesen bekommt. Der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm sagte heute Morgen gegenüber dem Sender Bayern2,
dass er von der Bundesregierung erwarte, "dass sie sich dafür einsetzt, dass wenn Menschen da gerettet worden sind, es nicht wieder ein wochenlanges Geschacher gibt", sondern die Geretteten
schnell auf mehrere europäische Staaten verteilt werden würden. Wir hoffen das auch sehr!
Wenn ihr wissen möchtet, wo genau sich unser Schiff befindet: Unterwww.vesselfinder.comoderwww.marinetraffic.com/wird Euch die aktuelle Position angezeigt, wenn ihr den Schiffsnamen „SEA-WATCH 4“ eingebt.
Diese Lokalisierung ist möglich, weil das Schiff gemäß den gesetzlichen Vorschriften einen sogenannten AIS-Transponder (Automatic Identification System) besitzt, um Kollisionen mit anderen
Schiffen zu verhindern.
Folgt United4rescue bei Twitter, Facebook und Instagram um die aktuellsten Informationen von unserem Bündnisschiff zu bekommen und auch zu verbreiten! Bitte begleitet die Situation weiter
mit Euren Gebeten und Eurem Handeln.
nach über 5 Monaten in der Werft in Burriana (Spanien) ist dieSea-Watch 4heute endlich in
ihren ersten Einsatz Richtung zentrales Mittelmeer gestartet. Die europaweiten Einschränkungen aufgrund der Corona-Pandemie hatten die Abfahrt leider stark
hinausgezögert. Trotzdem konnte unsere Werft-Crew das ehemalige ForschungsschiffPoseidonzum RettungsschiffSea-Watch 4umbauen. Auf der mehrtägigen Überfahrt ins Suchgebiet vor der libyschen Küste spielt unsere Crew verschiedenste
Einsatz-Szenarien durch und macht sich weiter mit den umfassenden Corona-Präventionsmaßnahmen an Bord vertraut. Die starke Allianz mit dem Bündnis
United4Rescue gibt uns dabei Rückenwind.
Das Bündnis ermöglichte Anfang des Jahres den Kauf des Schiffes durch tausende gesammelte Spenden, die operationelle Verantwortung des Einsatzes trägtSea-Watch. Wir freuen uns, dass mit Ärzte ohne Grenzen, die vorerst die
medizinische Betreuung unserer Gäste übernehmen werden, ein weiterer Partner mit uns gemeinsam der Politik des Sterbenlassens an Europas südlicher Außengrenze
entgegentritt. Dass dies gerade wieder bitter nötig ist, haben die letzten Wochen traurig gezeigt.
Seit 6 Wochen ist kein ziviles Rettungsschiff mehr in der Such- und Rettungszone aktiv. In dieser Zeit wagten laut der Internationalen Organisation für Migration
(IOM) mehr als 3.500 Menschen die Flucht über das Mittelmeer. 25 Boote mit über 1.500 Menschen in Seenot wurden von unserem Flugzeug-Team gesichtet. Knapp 1.200
Menschen wurden zurück nach Libyen geschleppt. Mindestens 44 Menschen starben, 3 Menschen wurden Ende Juli von der
sogenannten Libyschen Küstenwache erschossen – und das sind nur die Toten, über die wir Gewissheit haben.
Solange die EU Menschen an ihren Grenzen zum Tod durch Ertrinken verurteilt, kämpfen wir weiter.Für
Bewegungsfreiheit und das Recht auf Leben!
Herzlichen Dank für Deine Solidaritätim Namen der gesamten Sea-Watch-Crew auf dem Wasser, in der
Luft und an Land!
es herrscht Wahnsinn auf dem Mittelmeer. Gestern brachte unsere Crew 165 Menschen von 2 Booten sicher auf dieSea-Watch 3. Unsere Crew hatte sie entdeckt und so schnell wie möglich die Rettungen mit unseren Schnellbooten
eingeleitet. Bis in die frühen Morgenstunden und auch weiterhin suchen wir nach einem weiteren Seenotfall.
Die letzten eineinhalb Wochen auf dem Mittelmeer waren geprägt von völkerrechtswidrigen Abfangaktionen durch die sogenannte Libysche Küstenwache, außerdem von zwei
Bootskatastrophen, bei denen fast 70 Menschen ums Leben kamen. Daher sind wir heute erleichtert, diesmal einen Unterschied gemacht zu haben. An Bord derSea-Watch 3wurden unsere Gäste sofort medizinisch behandelt. Viele von
ihnen trugen schwere chemische Verbrennungen durch das Salzwasser-Treibstoffgemisch in ihren Booten davon. Jetzt können sie sich endlich ein wenig von den Strapazen
ausruhen, ohne um ihr Leben zu fürchten. Aber was unsere Gäste jetzt vor allem brauchen ist die umgehende Zuweisung eines sicheren Hafens!
Auch die Crew unseres SuchflugzeugsMoonbirdflog gestern
gleich zwei Einsätze hintereinander, um nach Booten in Seenot zu suchen. Dabei mussten sie hilflos mit ansehen, wie die EU-finanzierte sogenannte Libysche
Küstenwache vor ihren Augen ein Boot mit knapp 70 Personen völkerrechtswidrig in das Bürgerkriegsland zurück schleppte. Das Ganze wurde koordiniert von einem
Flugzeug der europäischen Grenzschutzagentur FRONTEX. Laut UNHCR wurden gestern über 300 Menschen illegal zurück nach Libyen gebracht. Von den zahlreichen Booten,
die in den letzten Tagen die Überfahrt wagten, wurden zwei gestern von derSea-Watch 3gefunden und die Personen geborgen, die Passagiere eines dritten Bootes erreichten die Insel Lampedusa aus eigener Kraft.
Gleich heute Morgen flog unsereMoonbirderneut das
Suchgebiet ab, um nach einem von vier Booten, die die Crew gestern gesichtet hatte, zu suchen, das seitdem aber nicht mehr gesehen wurde.
Solange Menschen über das Meer fliehen müssen und von Europa wissentlich sterben gelassen werden, werden wir nach Menschen in Seenot suchen, um zu retten, wo die
europäischen Staaten wegschauen oder sogar aktiv Völkerrecht brechen.
Aktuell befinden sich mit derMare Joniovon Mediterranea
und unsererSea-Watch 3genau zwei Schiffe auf dem
Mittelmeer, bei denen wir uns darauf verlassen können, dass sie gerettete Menschen auch in Sicherheit bringen. Wir sind seit über acht Wochen die ersten
Rettungsschiffe, die an der tödlichsten Grenze der Welt patrouillieren. In diesen acht Wochen sind über 35 Boote auf dem Weg nach Europa gemeldet worden, von denen
viele durch die sogenannte Libysche Küstenwache abgefangen und zurück in das vom Krieg zerrüttete Land verschleppt wurden.
Die letzten Tage zeigen uns erneut: Zwei Rettungsschiffe reichen nicht aus. Wir können nicht das gesamte Mittelmeer abdecken. Während Menschen auf der Suche nach
Sicherheit ihr Leben riskieren, werden zivile Rettungsschiffe in italienischen Häfen festgehalten, die so dringend gebraucht werden. Wir fordern deshalb, dass
dieAlan Kurdivon Sea-Eye, dieAita Marivon SMH/Maydayterraneo und auch dieIuventavon Jugend Rettet endlich wieder freigelassen werden.
Trotz erschwerter Bedingungen durch die Corona-Pandemie werden wir auch weiter Rettungseinsätze auf dem Mittelmeer fahren, denn die südliche Außengrenze der EU
bleibt vermutlich auch 2020 die tödlichste Grenze der Welt.
Philipp Hahn
(Einsatzleiter auf der Sea-Watch 3)
24.5.2020
Hallo,
wir haben Geburtstag! Vor 5 Jahren gründete sich der Verein Sea-Watch. So alt wollten wir eigentlich nie werden. Und obwohl behauptet
wird, mit dem Alter kommt die Weisheit, will es uns bis heute noch immer nicht in den Kopf hinein, wie man Menschen an der europäischen Grenze ertrinken lassen
kann - oder an irgendeiner Grenze!
Seit unserer Gründung mit einem Fischkutter bis heute zu den sehr gut ausgestattetenSea-Watch 3undSea-Watch 4haben wir extremes Kräftemessen auf allen Ebenen hinter
uns gebracht - operationell, politisch, aber auch rechtlich. Allein während der letzten 30 Missionen in den letzten 2 Jahren mussten wir 4 Standoffs und mehrere
Festsetzungen von Schiff und Flugzeug ausfechten, ganz zu schweigen von den Ermittlungen gegen unsere Kapitän*innen.
Unser Kapitän Arturo - die Ermittlungen gegen ihn laufen noch immer (Foto: Nick Jaussi -Sea-Watch.org)
Vor genau einem Jahr nahmen die italienischen Behörden die Ermittlungen auf gegen unseren Kapitän Arturo wegen Beihilfe zur illegalen Einwanderung. Dieser war in
italienische Gewässer eingefahren, nachdem die Geretteten an Bord mit Selbstmord gedroht hatten, da nach Tagen des Wartens keine Besserung der Situation in Sicht
war.
Am Abend zuvor hatte die italienische Küstenwache die Anlandung von 18 Frauen, Kindern und Männern angeordnet und durchgeführt. Die nicht zu den Familien
gehörenden Menschen waren an Bord zurückgeblieben, unter ihnen acht unbegleitete Minderjährige, eine schwangere Frau und eine Person mit Behinderung. Nach dieser
inakzeptablen, diskriminierenden Trennung wurde die medizinische und psychologische Situation an Bord des Schiffes untragbar und die Besatzung konnte die
Sicherheit der geretteten Personen nicht mehr gewährleisten.
Die italienischen Behörden setzten die Sea-Watch 3 daraufhin für mehrere Wochen fest. Innenminister Salvini verleumdete uns als Schleuser. Ein Jahr später ist er
nicht mehr im Amt, wir sind immer noch da. Wir lassen uns nicht aufhalten. Wir finden neue Wege. Das haben wir mit den Schiffen, mit den Flugzeugen und mit unserem
vielfältigen Protest an Land immer wieder bewiesen.
Offene Grenzen und sichere Fluchtwege für alle bleiben unser Ziel, dem wir mit unserer Arbeit jeden Tag ein kleines Stück näher kommen wollen.
Während wir alles daran setzen, nächsten Monat rauszufahren, hat sich unsere Vermutung bestätigt, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis die mit Covid19
begründete Diskriminierung von Menschen auf der Flucht sein nächstes Todesopfer fordert. Statt gerettete Menschen an Land zu bringen verstauen Malta und
Italien sie auf Fähren vor der Küste, vorgeblich aus Quarantänegründen. So wurde auch die Fähre Moby Zaza zum Quarantäneschiff umdeklariert, wo 121 Menschen
ausharren mussten - jetzt sind es nur noch 120. Denn einer sprang aus Verzweiflung über die Situation über Bord und ertrank, eine Meile vor der italienischen
Küste. Covid 19 ist eine Herausforderung, aber entschuldigt keine Zweiklassengesellschaft und Freiheitsberaubung auf See. Es ist das Recht dieser Menschen, an
Land und in Sicherheit zu sein.
Zurück in den Einsatz!
Es wird Zeit, dass wir wieder in den Einsatz kommen. Wir haben lange getüftelt, um unsere Crew nicht zu gefährden und sind nun mit den Covid Vorkehrungen soweit, dass
wir nächste Woche endlich wieder mit den Arbeiten an derSea-Watch 4weitermachen können!
Das bedeutet für unsere Crew zwei Wochen Quarantäne vor und nach dem Schiffsaufenthalt und aufwendige, zeitintensive Arbeitsprozesse. Es war nicht einfach,
Freiwillige zu finden, die eine solche lange Zeitspanne mitmachen können, doch zum Glück haben wir einen riesigen Pool aus den tollsten Freiwilligen! Und denen
geht es genauso wie uns und sind daher doppelt motiviert: Wir wollen - und müssen - möglichst schnell wieder in das Einsatzgebiet!
Montag, 03.02.2020
Kirchliches Bündnis kauft Schiff zur Seenotrettung
Das kirchliche Bündnis "United4Rescue" für eine eigene Rettungsmission hat ein Schiff erworben. Ostern könnte es ins Mittelmeer auslaufen. Bis dahin stehen
Umbauarbeiten an, für die der Verein weiter Spenden sammeln will.
Das kirchliche Bündnis „United4Rescue“ ist bei seinen Plänen für eine eigene Rettungsmission im Mittelmeer
einen Schritt weiter. Das Bündnis hat das Kieler Forschungsschiff „Poseidon“ erworben, wie es am Freitag selbst mitteilte. Am Donnerstag endete das Bieterverfahren für das Schiff, für das der
Verein „Gemeinsam Retten“ am Ende den Zuschlag bekam. „United4Rescue“ hatte seit Dezember Spenden für den Erwerb eines Schiffes gesammelt, das sich für Rettungseinsätze auf dem Mittelmeer
eignet.Nach Angaben von Vereinssprecher Joachim Lenz hat das Schiff 1,5 Millionen Euro gekostet. 1,1 Millionen Euro hat demzufolge das Bündnis beigesteuert. Den Rest der Summe übernehme die
Organisation Sea-Watch, die im Auftrag das Bündnisses das Schiff betreiben soll.
Bevor das frühere Forschungsschiff für seinen künftigen Zweck in See stechen kann, sind noch Umbauten notwendig. So müssen unter anderem eine Krankenstation
eingerichtet und Beiboote angeschafft werden. Lenz zufolge wollen sich die Verantwortlichen zunächst einen Überblick über die notwendigen Arbeiten verschaffen. Er hoffe, dass das Schiff etwa von
Ostern an für Rettungseinsätze zur Verfügung steht.
Die „Poseidon“ war bislang für das Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung im Einsatz. Für den Umbau braucht das Bündnis weitere Spenden, wie aus der Mitteilung
von Freitag hervorgeht.
Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, der sich persönlich stets hinter die Initiative gestellt hatte, dankte
den Spendern. „Ich freue mich, dass das Engagement so vieler Menschen jetzt auch zum Erfolg geführt hat“, sagte er dem „Evangelischen Pressedienst“.
„Seenotrettung ist eigentlich eine staatliche Pflichtaufgabe, die im Mittelmeer schon seit Jahren nicht wirksam wahrgenommen wird“, sagte der rheinische Präses
Manfred Rekowski. Deshalb sei die Initiative anderer notwendig, ergänzte Rekowski, der auch Vorsitzender der Kammer für Migration und Integration der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD)
ist. Der Europa-Abgeordnete Sven Giegold (Grüne), der zu den Mitinitiatoren des Bündnisses gehört, erklärte: „Dieses Schiff wird Leben retten und kann helfen, die europäische Politik zu
ändern.“
endlich ist es soweit: nach sechsmonatiger Blockade durch italienische Behörden ist die Sea-Watch 3 heute morgen zu einer neuen Rettungsmission
ausgelaufen.Nachdem wir kurz vor Weihnachten die Berufung gegen die unrechtmäßige Beschlagnahmung vor dem
Zivilgericht gewonnen haben, nutzten wir die Feiertage, um den aktuellen Rettungseinsatz vorzubereiten.
Die Sea-Watch 3 auf dem Weg zurück ins Einsatzgebiet.
Foto: Sea-Watch e.V.
Die Sea-Watch 3 ist nun auf dem Weg in
die Such- und Rettungszone vor Libyen. Während sich die politische Situation in Libyen weiter verschärft, ist auch bei der humanitären Katastrophe im Mittelmeer
kein Ende in Sicht. Hunderte Menschen sind ertrunken, während die Sea-Watch 3 unrechtmäßig festgehalten wurde. Endlich sind wir wieder auf dem Weg ins
Einsatzgebiet.
Das Einsatzgebiet der Sea-Watch 3: Die Such- und Rettungszone nördlich der libyschen Küste. Grafik: Sea-Watch.e.V.
Vor unserer Einsatzcrew liegen nun über 30 Stunden Anfahrt und zum Jahreswechsel eine Schlechtwetterphase, die vermutlich bis zum Wochenende anhalten wird.
Angekommen vor Ort wird unser Aufklärungsflugzeug Moonbird bei der Suche nach und der Rettung von Menschen in Seenot unterstützen und Menschenrechtsverletzungen
dokumentieren.
Wir werden niemals aufhören Menschen aus Seenot zu retten, egal wie viele Steine uns in den Weg gelegt werden! Deine Unterstützung ist dabei
unverzichtbar. Nur mit Deiner Einzelspende oder Deinem Beitrag als Fördermitglied bleibt Sea-Watch auf Kurs. Du weißt ja: Ein
Menschenleben ist unbezahlbar, Seenotrettung ist es nicht!
Der EKD und allen Menschen, die wegen ihres Engagements von rechtsextremer Seite angefeindet und bedroht werden, sagen wir klar: Wir stehen an Eurer Seite!
Die evangelische Kirche wird ein Schiff zur Seenotrettung von
Flüchtlingen im Mittelmeer finanzieren!12.9.2019
Bitte klicken Sie auf das folgende Bild
23.9.2019 ------ Malta-Einigung ist keine Lösung!
Heute einigten sich die Innenminister von Malta, Deutschland, Finnland, Frankreich und Italien bei einem EU-Treffen in Malta auf eine Übergangslösung zur
Aufnahme und Verteilung von auf dem Mittelmeer geretteten Menschen. Endlich soll es einen freiwilligen Notfallmechanismus geben. Die Vorstellung der genauen
Ergebnisse steht noch aus. Für die SEEBRÜCKE ist jedoch jetzt schon klar:
Dies ist ein zu kleiner Schritt in die richtige Richtung. Wir werden solange weiter auf die Straßen gehen, bis es eine grundsätzliche Lösung gibt und kein
Mensch mehr im Mittelmeer stirbt. Es bleibt viel zu tun: Europas Staaten müssen mit staatlicher Seenotrettung Verantwortung übernehmen, die lebensgefährlichen
Rückführungen nach Libyen sofort stoppen und aufhören, die sogenannte libysche Küstenwache zu unterstützen und auszubilden. Für all diese Aufgaben haben die
Innenminister heute keine Lösung gefunden.
Vielen Dank an alle, die sich an unserer Kampagne “EKD schick ein Schiff!” beteiligt haben! Denn in diesem Newsletter sagen wir: “Juhu, die Kirche schickt ein ein
Schiff!”
Der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) hat tatsächlich beschlossen, in einem breiten gesellschaftlichen Bündnis ein zusätzliches Schiff zur Rettung
von Ertrinkenden ins Mittelmeer zu senden. Hierfür wird nun ein Verein gegründet.
Diese tolle Entscheidung verkündete Landesbischof Bedford-Strohm, Ratsvorsitzender der EKD am 12. September bei einer gemeinsamen Bilanz-Pressekonferenz mit
Vertreter*innen von Rettungs- und Hilfsorganisationen, Kommunen sowie der SEEBRÜCKE. Die Bilanz fiel von allen Seiten eindeutig aus: Die Politik versagt mit
Hinblick auf die aktuelle Situation in Libyen und auf dem Mittelmeer. Auch nach der heute in Malta gefundenen Einigung bleiben die von Kommunen und
Zivilgesellschaft formulierten Forderungen gültig! Über 90 Kommunen haben sich zu Sicheren Häfen erklärt. Für sie muss eine Möglichkeit geschaffen werden,
freiwillig zusätzliche Schutzsuchende aufzunehmen.
Alle Menschen müssen das Recht haben, sich frei und sicher zu bewegen! Lasst uns gemeinsam weiter für dieses Recht einstehen!
Auf einer Veranstaltung des
evangelischen Kirchentags mit dem Namen “Gemeinsam für offene Häfen in Europa” verkündete der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Heinrich
Bedford-Strohm, dass die Evangelische Kirche ein Rettungsschiff ins zentrale Mittelmeer schicken wird. Das finden wir großartig! Ebenfalls erinnerte die
SEEBRÜCKE
(Klick mich) mit der Aktion “Jeder Mensch hat einen Namen” auf dem Evangelischen Kirchentag an alle
Menschen, die in den letzten Jahren bei der Flucht über das zentrale Mittelmeer ihr Leben verloren haben. Riesengroße Banner mit den Namen der Verstorbenen wurden
am Kirchturm der St. Reinoldi Kirche Dortmund aufgehängt, um ein Zeichen der Solidarität mit den Verstorbenen zu setzen. Wir machen weiter, bis das Sterben endlich
aufhört!
Palermo-Appell für Seenotrettung und solidarische Aufnahme
Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche Deutschlands, Bischof Heinrich Bedford-Strohm, hat auf Sizilien die Crew der Sea-Watch
3 besucht und den Seenotretter_innen für ihre Arbeit gedankt. Gemeinsam mit dem Bürgermeister von Palermo, Leoluca Orlando, fordert Bedford-Strohm im Palermo-Appell eine staatliche
Seenotrettung, einen europäischen Verteilungsmechanismus und das Ende der Kriminalisierung der Retter_innen.
Auszug aus dem Appell:
Gemeinsam mit vielen Verantwortlichen aus Kommunen, Kirchen und der Zivilgesellschaft meinen wir:
1. 2019 darf nicht zu einem verlorenen Jahr für die Seenotrettung im Mittelmeer werden.
2. Die Kriminalisierung der zivilen Seenotrettung muss ein Ende haben. Jetzt!
3. Seenotrettung muss auch eine staatliche Aufgabe bleiben. Was ist aus der europäischen Seenotrettung geworden? Deutschland sollte hier ein Zeichen setzen und Schiffe
entsenden!
4. Wir brauchen noch in diesem Sommer eine politische Notlösung, einen vorübergehenden Verteilmechanismus für Bootsflüchtlinge. Viele Städte und Kommunen in Europa wollen „Sichere Häfen“
sein! Lassen wir das Realität werden!
5. Wir brauchen in der EU eine „Koalition der Willigen“, die jetzt handelt. Und eine zukunftsfähige Migrationspolitik entwickelt. Denn Menschen ertrinken lassen oder in die Lager Libyens
zurückschicken, kann keine Option für Europa sein.
Diesen Appell unterstützen mit einem Video die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker, Ruprecht Polenz (CDU), Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen), Gesine Schwan (SPD), Aktivist_innen
von SeaWatch und Seebrücke sowie
Geistliche aus Deutschland und Schweden.
Die Crew der "Alan Kurdi" rettete im April den nigerianischen Jungen Emanuel (4). Ohne die Spenden der Kirchen
hätte diese Mission nicht stattfinden können Emanuel wäre verschwunden. (Foto: Fabian Heinz/sea-eye.org) >> Mehr Fotos und Videos <<
Was tun die Kirchen gegen das Sterben auf dem Mittelmeer?
Der Ratsvorsitzende der EKD Heinrich Bedford-Strohm, besucht das Rettungsschiff "Sea-Watch 3" in
Italien und fordert erneut eine politische Notlösung für die flüchtenden Menschen, die u.a. von Sea-Watch und Sea-Eye auf dem
offenen Meer gerettet werden. Immer wieder bekennen sich die christlichen Kirchen Deutschlands, klar und unmissverständlich, zu den zivilen
Seenotrettern. Sie fordern laut das Ende der Kriminalisierung der Hilfsorganisationen und spenden u.a. auch für die
Suchflugzeuge und Rettungsschiffe von Sea-Eye und Sea-Watch.
So unterstützte das Mennonitische Hilfswerk die Organisation Sea-Eye e.V. bereits mit mehr als 50.000€,
innerhalb der vergangenen 2 Jahre. Das Suchflugzeug Moonbird wurde von der EKD mit 100.000€ gefördert. „Mehr als 1000 Menschen
wären mit Sicherheit tot, hätte unser Flugzeug sie nicht in letzter Sekunde entdeckt. Dieser Einsatz wäre ohne die Unterstützung der Kirche
nicht möglich gewesen, dafür sind wir dankbar!“ sagt Johannes Bayer, Vorsitzender von Sea-Watch e.V. Die Diözese
München-Freising unterstützte die Rettungseinsätze der "Alan Kurdi" von Sea-Eye im Januar mit 50.000€. „Ein christliches
Bekenntnis, das der Katastrophe, die tagtäglich auf dem Mittelmeer geschieht, tatenlos zuschaut, ist nicht glaubwürdig. So lange es
Menschen gibt, die sich in ihrer Not und Verzweiflung auf den Weg über das Mittelmeer machen, ist unser Auftrag Barmherzigkeit.“sagte
Kardinal Reinhard Marx im Januar 2019 zur Spende an Sea-Eye e.V.
Insgesamt erhielt Sea-Eye im laufenden Jahr bereits 190.000€ aus dem Raum der deutschen Kirchen, als
Reaktion auf die unterschiedlichen Hilfegesuche der Regensburger Seenotretter. „Ohne die
verschiedenen Kirchen, wären in diesem Jahr keine Rettungseinsätze möglich gewesen. Würden europäische Regierungen die Menschenrechte
genauso ernst nehmen, wie Kirche die Botschaft der Bibel, wären wir vermutlich überflüssig.“ Gorden Isler, Vorsitzender von Sea-Eye e.V.
Die Kirchen sind ein wichtiger Bündnispartner für beide Hilfsorganisationen geworden. Die Organisationen
haben deshalb die Initiative "Kirche rettet" ins Leben gerufen, um dieses kirchliche Engagement sichtbar zu machen, um danke zu sagen und fortlaufend über
kirchliches Engagement zu berichten. Die Spenden aus dieser gemeinsamen Kampagne kommen vier Hilfsorganisationen zu Gute. Dazu gehören
neben den Initiatoren auch dasAlarmPhone und Solidarity at Sea.
Deutsche Helfer im Mittelmeer"Ohne die
Kirchen könnten wir nicht mehr retten"
Hilfsbedürftige Menschen an Bord, kein Hafen nimmt sie an: In dieser Situation befindet sich die deutsche Crew der "Alan Kurdi", dem derzeit einzigen
Seenotrettungsschiff auf dem Mittelmeer. Deren Sprecher schildert, warum der Helferjob immer schwieriger wird.
Gerettete Migranten an Bord der "Alan Kurdi" (03.04.2019)
Fabian Heinz/ Sea-eye.org/ AP/ DPA
Als einziges privates Schiff hilft die deutsche "Alan Kurdi" derzeit schiffbrüchigen Flüchtlingen. Vor der libyschen Küste hat die Crew 64 Menschen retten können, darf aber keinen
italienischen oder maltesischen Hafen anlaufen. Vor allem Italiens Innenminister Matteo Salvini macht Stimmung gegen die deutschen Seenotretter. Sein Kommentar: "Soll sie doch nach Hamburg fahren."
Im Interview spricht Sea-Eye-Vorstand Gorden Isler über die Situation an Bord, die Kooperation mit der libyschen Küstenwache - und er erklärt, warum seine Organisation plötzlich Probleme
hat, die Missionen zu finanzieren.
Zur Person
Gorden Isler, Jahrgang 1982, ist Sprecher von Sea-Eye. Die Organisation ist seit April 2016 vor der libyschen Küste im Rettungseinsatz.
Isler fährt hin und wieder selbst auf Missionen mit.
SPIEGEL ONLINE: Herr Isler, wie ist die Situation an Bord?
Gorden Isler: Schlecht. Die Menschen frieren, ihre Kleidung ist durchnässt. Viele sind seekrank. In den vergangenen Tagen hatten wir zwei
medizinische Notfälle: Eine junge Frau aus Nigeria litt unter Bewusstseinsstörungen, ihr Kreislauf kollabierte. Eine andere schwangere Nigerianerin hatte einen epileptischen Anfall. Die
maltesische Armee musste beide Frauen evakuieren.
SPIEGEL ONLINE: Unter den Geretteten befinden sich zwei Familien mit kleinen Kindern. Italien hatte angeboten, die Kinder und Mütter in
Italien an Land zu lassen. Die Männer hätten aber an Bord bleiben müssen. Wie haben Sie reagiert?
Isler: Es gibt keinen einzigen plausiblen Grund, die Familien zu trennen. Wenn die Frauen und Männer in unterschiedlichen Ländern Asyl
beantragt hätten, wären die Familien vermutlich sogar für längere Zeit getrennt worden. Wir haben die Familien schließlich selbst gefragt. Und die haben sehr schnell entschieden, dass sie
zusammen an Bord bleiben wollen. Es war eine schwierige Situation.
SPIEGEL ONLINE: Ende März hat die Europäische Union den Marineeinsatz vor der libyschen Küste beendet. Was bedeutet das für Sea-Eye?
Isler: Es ist niemand mehr da, der uns helfen könnte. Vor allem, wenn wir mal ein großes Boot mit vielen Menschen retten, wird es eng.
Ob Flüchtlinge, die auf die Boote der Schlepper gehen, leben oder sterben, ist nun endgültig eine Frage des Glücks. Während der aktuellen Mission haben wir Notrufe von einem Boot
gehört, das nie gefunden wurde. Und die Menschen werden weiter aus den libyschen Folterlagern fliehen - auch wenn die EU-Schiffe nicht mehr da sind. Nun wird in der Nähe von Tripolis
auch noch gekämpft.
SPIEGEL ONLINE: Warum nicht?
Isler: Wir wurden komplett von der Kommunikation zwischen den Rettungsleitstellen abgeschnitten. Selbst die Italiener und Malteser informieren
uns nicht mehr über Seenotfälle. Über Funk haben wir von einem Notfall gehört und unsere Hilfe angeboten - doch niemand hat uns gesagt, wo die Schiffbrüchigen sind.
SPIEGEL ONLINE: Ein Versehen oder Absicht?
Isler: Es war eine bewusste Entscheidung, diese Informationen nicht zu teilen. In den vergangenen Monaten haben Hafenbehörden die Schiffe
privater Seenotretter nicht an Land gelassen. Das ist nun der nächste Schritt, um uns weiter zu isolieren und Europa abzuschotten.
SPIEGEL ONLINE: Die libysche Rettungsleitstelle in Tripolis koordiniert mittlerweile offiziell die Rettungseinsätze. Wie läuft die
Zusammenarbeit?
Isler: Es fühlt sich an, als würde die libysche Küstenwache nicht existieren. Wir haben jeden Morgen eine E-Mail geschrieben mit unserer
Position und der geplanten Route. Darauf gab es keine Antwort. Auch im Notfall, als wir Menschen gerettet hatten, und um Anweisungen baten - keine Antwort. Wir haben acht Telefonnummern
von der libyschen Küstenwache. Aber in den vergangenen Tagen ist nie jemand ans Telefon gegangen.
SPIEGEL ONLINE: Für die einen sind Sie die Schlepper, für die anderen die humanitären Helfer. Wie hat sich die Debatte der vergangenen Monate
auf die Arbeit von Sea-Eye ausgewirkt?
Isler: Wir bekommen viele hasserfüllte E-Mails. Und es spenden weniger Menschen.
SPIEGEL ONLINE: Wie viel weniger wird gespendet?
Isler: Die Weihnachtszeit war noch ordentlich. Danach war der Rückgang massiv. Ich würde schätzen, dass die Anzahl unserer Spender um etwa 80
Prozent zurückgegangen ist.
SPIEGEL ONLINE: Worauf führen Sie das zurück?
Isler: Es gibt ein Narrativ, es ist Teil eines vergifteten Diskurses: Schiffe werden blockiert, gegen Flüchtlingsretter wird ermittelt, wir
dürfen nicht in die Häfen. Da bleibt etwas Negatives hängen, als würden wir Illegales tun.
SPIEGEL ONLINE: Sie machen also auch Äußerungen und Aktionen wie die von Salvini für die wenigen Spenden verantwortlich?
Isler: Natürlich. Wenn wir ständig mit Dreck beschmissen werden, muss man sich nicht wundern, wenn etwas hängen bleibt. Warum sollten normale
Bürger davon ausgehen, dass ein Minister lügt? Aber es ist auch ein Problem, dass der deutsche Außenminister oder die Kanzlerin sich nicht einmischen und uns verteidigen. Das würde
helfen.
SPIEGEL ONLINE: Melden sich auch weniger Freiwillige für die Missionen?
Isler: Leider ja. Das liegt aber größtenteils daran, dass die Fahrten so unberechenbar geworden sind. Wenn wir losfahren, wissen wir
inzwischen nicht mehr, welcher Hafen unser Schiff einlaufen lässt. Wir wissen nicht mal, wann wir zurückkehren. Ich spreche mit vielen arbeitenden Menschen, die in ihrem Urlaub mit uns
losfahren wollen, aber die Mission nicht vernünftig planen können. Solche Probleme kannten wir bisher nicht. Bisher haben wir nach langem Suchen immer noch genug Leute gefunden. Aber
sobald das nicht mehr der Fall ist, müssen wir eben seltener auslaufen.
SPIEGEL ONLINE: Haben andere private Seenotrettungsorganisationen ähnliche Probleme?
Isler: Wenn wir nicht genug Freiwillige haben, fragen wir bei den anderen privaten Seenotrettern an. Auch Organisationen wie Sea-Watch
berichten, dass sie gerade weniger Freiwillige finden.
SPIEGEL ONLINE: Kann Sea-Eye die gesunkene Spendenbereitschaft ausgleichen oder stehen die Rettungsmissionen vor dem Aus?
Isler: Wir kennen schlechte Phasen. Als Thomas de Maizière uns einst vorgeworfen hat, mit Schleppern zu kooperieren, haben wir wochenlang
keine Spenden bekommen. Momentan können wir die fehlenden Spenden durch einige wenige Großspender sehr gut ausgleichen. Wenn Kardinal Marx uns allerdings nicht kürzlich 50.000 Euro
gespendet hätte, hätten wir nicht auslaufen können. Ohne die Kirchen könnten wir nicht mehr retten.