Jesiden oder Eziden, auch Yeziden, Jeziden,
sind eine zumeist Kurmandschi sprechende[2] ethnisch-religiöse Gruppe[3] mit etwa einer Million Angehörigen,[4][5] deren ursprüngliche Hauptsiedlungsgebiete im nördlichen Irak, in Nordsyrien und in der südöstlichen Türkei liegen. Die Jesiden betrachten sich teilweise als ethnische Kurden, teilweise als eigenständige Ethnie.[6][7] Derzeit sind Jesiden in Armenien als eigenständige Ethnie anerkannt.[8] Auch die Vereinten Nationen erkennen die Jesiden als eine eigenständige Ethnie an.[7] Heute sind Jesiden durch Auswanderung und Flucht auch in anderen Ländern verbreitet. Aufgrund von Verfolgungen sind viele Jesiden im 19. und frühen 20. Jahrhundert nach Armenien und Georgien geflohen.[9] Die Jesiden in Deutschland bilden mit geschätzt 200.000 Mitgliedern (2017)[10][11] die mit Abstand größte Diaspora derJesiden.[12]
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Jesiden praktizieren Endogamie. Das Jesidentum ist eine monotheistische, nicht auf einer heiligen Schrift beruhende, synkretistische Religion. Die Mitgliedschaft ergibt sich ausschließlich durch Geburt, wenn beide Elternteile jesidischer Abstammung sind. Eine Heirat von Jesiden (beiderlei Geschlechts) mit Nicht-Jesiden hat angesichts jesidischer Heiratsregeln den Ausschluss aus der Gemeinschaft zur Folge.[13] Im Zentrum des jesidischen Glaubens stehen Melek Taus („Engel Pfau“), der Scheich ʿAdī ibn Musāfir (um 1073–1163) sowie die sieben Mysterien. Das Grab von Scheich ʿAdī im irakischen Lalisch-Tal ist das Hauptheiligtum des Jesidentums und Ziel einer jährlichen Wallfahrt im Herbst.
Seit August 2014 sind Jesiden Opfer eines andauernden Genozids.[14][15] Als sogenannte „Ungläubige“ fliehen sie im Norden des Iraks vor Verfolgung, Versklavung und Ermordung durch die terroristisch agierende fundamentalistische Miliz Islamischer Staat.
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Amnesty: Jesidinnen und Jesiden sind Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt
Auch zehn Jahre nach Beginn Genozids sind die Jesidinnen und Jesiden in der Region Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt. Amnesty International geht davon aus, dass hunderte Überlebende im Nordosten Syriens in Gefangenenlagern festgehalten werden, die eigentlich für Menschen mit Verbindungen zum IS geschaffen wurden.
Davon berichtet auch der irakische Journalist Khidher Domle, der selbst Jeside ist. Vor allem im Lager Al-Hol im Nordosten Syriens gebe es zahlreiche jesidische Frauen, die es nicht wagten, ihre Identität preiszugeben, sagt Domle. Manche von ihnen fürchteten sich nach den vielen Jahren beim IS zurückzukehren, aus Angst, nicht mehr von ihren Familien akzeptiert zu werden. Auch hätten viele Frauen Angst, von ihren Kindern getrennt zu werden, die nach Vergewaltigungen geboren wurden.
Khidher Domle: “Die meisten von uns haben das Gefühl, dass der Völkermord weitergeht”
„Die meisten von uns haben das Gefühl, dass der Völkermord weitergeht, denn es gibt immer noch so viele, die in Gefangenschaft sind oder verschwunden“, sagte Domle. Zwar würden vereinzelt fehlende Angehörige gefunden, doch die Fälle würden mit den Jahren immer weniger.
Hinzu kommt das fehlende Vertrauen in die irakischen Institutionen und die muslimische Mehrheitsgesellschaft. Die jesidische Gemeinschaft sei im August 2014 im Stich gelassen worden, sagt Domle. „Muslimische Nachbarn, die mit dem IS sympathisierten, wandten sich gegen uns, verrieten die jesidischen Bewohner an die Kämpfer oder griffen selbst zu den Waffen.“
Springs-of-Hope-Foundation: “Niemand möchte für immer in Zelten leben”
Viele Jesidinnen und Jesiden versuchten auszuwandern, sagt Domle. „Im Irak sehen sie für sich keine Zukunft mehr.“ Mit schätzungsweise mehr als 200.000 Jesiden lebt die größte Exil-Gemeinschaft in Deutschland. Etwa die Hälfte von ihnen wanderte nach den Verbrechen im August 2014 in die Bundesrepublik ein.
Zwar gibt es auch Jesidinnen und Jesiden, die sich über die Jahre arrangiert haben. Einige von ihnen hätten etwa kleine Geschäfte in der Nähe der Flüchtlingslager aufgebaut, sagt die Springs-of-Hope-Foundation-Gründerin Miara. Doch die Zukunft ist ungewiss. Zuletzt hatte die irakische Regierung angekündigt, Lager für Binnenvertriebene in den kurdischen Gebieten nicht mehr zu unterstützen – dort, wo die meisten Jesidinnen und Jesiden Zuflucht gefunden haben.
„Niemand möchte für immer in Zelten leben“, sagt Miara. Die Lager auf Zwang zu schließen, wenn die eigentliche Heimat nicht sicher sei, sei jedoch auch keine Lösung. Die Überlebenden dürften auch zehn Jahre nach dem Völkermord nicht in Vergessenheit geraten.
© Evangelische Zeitung - 1.8.2024