§ 20a und b AufenthG: „Chancenkarte“ ab 1. Juni 2024

 

§ 20a und b AufenthG regeln ab 1. Juni 2024, unter welchen Bedingungen man eine Aufenthaltserlaubnis für die Suche nach einer Erwerbstätigkeit oder einer Qualifizierungsmaßnahme erhalten kann. Daneben gibt es auch weiterhin die Aufenthaltserlaubnis nach § 20, die aber fast nur noch für Personen vorgesehen ist, die in Deutschland einen Abschluss gemacht haben oder erfolgreich ein Anerkennungsverfahren durchlaufen haben.

 

Die Chancenkarte kann unter folgenden Voraussetzungen erteilt werden:

  • Man ist eine Fachkraft. Das heißt: Es gibt einen deutschen, oder einen anerkannten bzw. als gleichwertig geltenden ausländischen Hochschulabschluss oder qualifizierten Ausbildungsabschluss. Oder:
  • Man hat einen ausländischen Hochschulabschluss oder mindestens zweijährigen ausländischen Ausbildungsabschluss, der zwar (noch) nicht in Deutschland, aber im Herkunftsland anerkannt ist. Hierüber ist ein Nachweis erforderlich. In diesem Fall müssen A1-Deutschkenntnisse oder B2-Englischkenntnisse vorhanden sein. Außerdem müssen in diesem Fall mindestens sechs Punkte nach § 20b AufenthG bzw. der Tabelle im Anhang zu § 20b AufenthG erreicht werden (siehe ganz unten in der Mail).

 

§ 20a AufenthG sieht zwei Formen der Chancenkarte vor:

 

è Die „Such-Chancenkarte“ (§ 20a Abs. 5 S. 1 AufenthG) für bis zu ein Jahr und

è die „Folge-Chancenkarte“ (§ 20a Abs. 5 S. 2 AufenthG) für bis zu zwei weitere Jahre, wenn ein Arbeitsplatzangebot für eine qualifizierte Beschäftigung vorliegt, aber noch kein „normaler“ Aufenthaltstitel für die Erwerbstätigkeit erteilt werden kann (z. B. weil noch die erforderliche Berufserfahrung für § 19c Abs. 2 AufenthG gesammelt werden muss). Für eine nicht-qualifizierte Helfer*innentätigkeit ist die Folge-Chancenkarte nicht möglich.

 

Was gilt für die Beschäftigungserlaubnis?


  •  Während des Aufenthalts mit § 20a Abs. 5 S. 1 AufenthG („Such-Chancenkarte“) ist eine Nebentätigkeit von 20 Wochenstunden durchschnittlich (bezogen auf die gesamte Geltungsdauer) erlaubt sowie zusätzlich bestimmte Probebeschäftigungen im Rahmen von je zwei Wochen.

è Während des Aufenthalts mit § 20a Abs. 5 S. 2 („Folge-Chancenkarte“) ist eine konkrete qualifizierte Beschäftigung, der die BA zugestimmt hat, erlaubt.

 

Welche deutschen Sprachkenntnisse müssen erfüllt werden?

è Für Personen, die Fachkräfte sind (also einen deutschen oder als gleichwertig anerkannten ausländischen Abschluss haben), werden keine Sprachkenntnisse vorausgesetzt.

è Für Personen, die einen ausländischen Abschluss haben, der in Deutschland nicht anerkannt ist, müssen mindestens A1-Deutschkenntnisse oder B2-Englischkenntnisse vorliegen.

 

Was muss für die Sicherung des Lebensunterhalts erfüllt werden?

è Für die Aufenthaltserlaubnis nach § 20a AufenthG muss der Lebensunterhalt zwingend gesichert sein (§ 20a Abs. 4 AufenthG).

è Der Lebensunterhalt ist gesichert, wenn kein Anspruch auf ergänzende Leistungen nach dem SGB II besteht.

è Als groben Orientierungswert bei Erwerbstätigkeit kann man ein Nettoeinkommen von 910 Euro plus die Kosten für die Warmmiete für eine alleinstehende Person heranziehen.

 

Welche Leistungsansprüche bestehen mit einer Aufenthaltserlaubnis nach § 20a AufenthG?

Es besteht, sofern die individuellen Voraussetzungen erfüllt sind, dem Grunde nach Anspruch unter anderem auf folgende Sozialleistungen:

è Arbeitslosengeld I und andere Leistungen des SGB III

è Ob ein Anspruch auf Familienleistungen bestehen wird, ist noch unklar. Es ist zu erwarten, dass hierzu noch gesetzliche Änderungen erfolgen werden.

è Berufsausbildungsbeihilfe (BAB)

è BAföG i. d. R. nur, wenn die Person selbst bereits fünf Jahre in Deutschland lebt und gearbeitet hat oder wenn die Eltern in den letzten sechs Jahren bestimmte Vorbeschäftigungszeiten in Deutschland erfüllen (§ 8 Abs. 3 BAföG).

è Bürgergeld nach dem SGB II und Leistungen nach SGB XII nur, wenn bereits fünf Jahre Aufenthalt in Deutschland vorliegt. In der Zeit zuvor können in Notfällen lediglich Überbrückungsleistungen nach § 23 Abs. 3 S. 3ff SGB XII in Anspruch genommen werden. Die Aufenthaltserlaubnis nach § 20a AufenthG ist davon abhängig, dass der Lebensunterhalt gesichert ist. Daher wird die Inanspruchnahme von Leistungen nach dem SGB II oder XII das Aufenthaltsrecht gefährden. Dies sollte daher nur in besonderen Ausnahmen in Anspruch genommen werden. Das Jobcenter oder Sozialamt ist verpflichtet, die Ausländerbehörde zu informieren, wenn man mit § 20a AufenthG einen Antrag auf Leistungen nach SGB II oder XII stellt (§ 87 Abs. 2 S. 3 AufenthG).

In welche anderen Aufenthaltstitel kann man aus § 20a AufenthG wechseln?

è Ein Wechsel ist grundsätzlich in jeden anderen Aufenthaltstitel möglich (§ 39 Nr. 1 AufenthV). Es gibt keine Wechselsperren.

è Allerdings ist die Niederlassungserlaubnis aus der Such-Chancenkarte (§ 20a Abs. 5 S. 1) nicht möglich. Aus der „Folge-Chancenkarte“ (§ 20a Abs. 5 S. 2 AufenthG) ist die Niederlassungserlaubnis nach § 9 AufenthG möglich. Die Zeit mit Such-Chancenkarte wird dabei angerechnet.

Welche Möglichkeiten gibt es für den Familiennachzug?

  • Der Familiennachzug zu Menschen mit § 20a AufenthG richtet sich nach den „normalen“ Regelungen (d.h.: mit Lebensunterhaltssicherung, Sprachkenntnissen, Wohnraumerfordernis).

 

Was ist sonst noch wichtig?

  • Die Such-Chancenkarte kann Personen, die bereits im Inland leben, nur erteilt werden, wenn sie einen Aufenthaltstitel nach Abschnitt 3 oder 4 (also nach den Paragrafen 16a bis 21) besitzen. Das kann zum Beispiel der Fall sein, wenn sie eine Ausbildung  oder eine Anerkennungsmaßnahme nicht erfolgreich abgeschlossen haben.

è Die „Such-Chancenkarte“ (§ 20a Abs. 5 S. 1 AufenthG) wird für bis zu ein Jahr erteilt.

è Die „Folge-Chancenkarte“ (§ 20a Abs. 5 S. 2 AufenthG) wird für bis zu zwei weitere Jahre erteilt, wenn ein Arbeitsplatzangebot für eine qualifizierte Beschäftigung vorliegt, aber noch kein „normaler“ Aufenthaltstitel für die Erwerbstätigkeit erteilt werden kann (z. B. weil noch die erforderliche Berufserfahrung für § 19c Abs. 2 AufenthG gesammelt werden muss).

è Eine neue „Such-Chancenkarte“ kann danach erneut nur erteilt werden, wenn man sich nach dem Ende der Geltungsdauer der letzten Such-Chancenkarte mindestens so lange im Ausland oder erlaubt im Bundesgebiet aufgehalten hat, wie man sich davor auf Grundlage einer Such-Chancenkarte im Bundesgebiet aufgehalten hat. Daher ist nach den zwei Jahren Folge-Chancenkarte oft auch wieder eine neue Such-Chancenkarte möglich.

è Daher ist prinzipiell denkbar, dass man kettenartig mit Such-Chancenkarte – Folge-Chancenkarte – Such-Chancenkarte – Folge-Chancenkarte usw. in Deutschland lebt. Die Such-Chancenkarte muss dazwischen dann nur für eine "logische Sekunde" erteilt werden.

 

Kriterien, für die es Punkte gibt:

Merkmal nach § 20b Absatz 1 Nummer

Punkte bei Erfüllung des Merkmals

Bescheid über die teilweise Gleichwertigkeit (Defizitbescheid) mit erforderlichen Qualifizierungsmaßnahmen liegt vor

4

B2 Deutschkenntnisse

3

B1 Deutschkenntnisse

2

A2 Deutschkenntnisse

1

C1 Englischkenntnisse

1

Einschlägige Berufserfahrung von fünf Jahren in den letzten sieben Jahren

3

Einschlägige Berufserfahrung von zwei Jahren in den letzten fünf Jahren

2

Hochschulabschluss in einem Engpassberuf gem. § 18g Abs. 1 Nr. 1 AufenthG

1

Unter 36 Jahre alt

2

Unter 41 Jahre alt

1

In den letzten fünf Jahren mindestens sechs Monate rechtmäßig und ununterbrochen in Deutschland

1

Ehegatt*in erfüllt die Voraussetzungen für die Chancenkarte

1

 

Zu beachten ist, dass diese Übersicht nur eine grobe Orientierung bieten kann, da das Gesetz eine Reihe von Ausnahmen und Sonderregelungen enthält, in welchen Fällen doch keine Punkte gutgeschrieben werden. Näheres dazu unter:


 

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Gesetzestext: 

 

Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet 1) (Aufenthaltsgesetz - AufenthG)
§ 104c Chancen-Aufenthaltsrecht

(1) Einem geduldeten Ausländer soll abweichend von § 5 Absatz 1 Nummer 1, 1a und 4 sowie § 5 Absatz 2 eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn er sich am 31. Oktober 2022 seit fünf Jahren ununterbrochen geduldet, gestattet oder mit einer Aufenthaltserlaubnis im Bundesgebiet aufgehalten hat und er
1.
sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland bekennt und
2.
nicht wegen einer im Bundesgebiet begangenen vorsätzlichen Straftat verurteilt wurde, wobei Geldstrafen von insgesamt bis zu 50 Tagessätzen oder bis zu 90 Tagessätzen wegen Straftaten, die nach dem Aufenthaltsgesetz oder dem Asylgesetz nur von Ausländern begangen werden können, oder Verurteilungen nach dem Jugendstrafrecht, die nicht auf Jugendstrafe lauten, grundsätzlich außer Betracht bleiben.
Die Aufenthaltserlaubnis nach Satz 1 soll versagt werden, wenn der Ausländer wiederholt vorsätzlich falsche Angaben gemacht oder über seine Identität oder Staatsangehörigkeit getäuscht hat und dadurch seine Abschiebung verhindert. Für die Anwendung des Satzes 1 sind auch die in § 60b Absatz 5 Satz 1 genannten Zeiten anzurechnen.
(2) Dem Ehegatten, dem Lebenspartner und minderjährigen, ledigen Kindern, die mit einem Begünstigten nach Absatz 1 in häuslicher Gemeinschaft leben, soll unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 Nummer 1 und 2 eine Aufenthaltserlaubnis auch dann erteilt werden, wenn diese sich am 31. Oktober 2022 noch nicht seit fünf Jahren ununterbrochen geduldet, gestattet oder mit einer Aufenthaltserlaubnis im Bundesgebiet aufgehalten haben. Das Gleiche gilt für das volljährige ledige Kind, wenn es bei der Einreise in das Bundesgebiet minderjährig war. Absatz 1 Satz 2 findet entsprechende Anwendung.
(3) Die Aufenthaltserlaubnis kann abweichend von § 10 Absatz 3 Satz 2 erteilt werden. Sie gilt als Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5. Sie wird für 18 Monate erteilt und ist nicht verlängerbar. Während des Aufenthalts nach Satz 3 kann nur eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a oder § 25b erteilt werden. Der Antrag auf Erteilung eines anderen Aufenthaltstitels als nach § 25a oder § 25b entfaltet nicht die Wirkung nach § 81 Absatz 4.
(4) Der Ausländer ist spätestens bei der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis auf die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25b und, falls er das 27. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, nach § 25a hinzuweisen. Dabei soll die Ausländerbehörde auch konkrete Handlungspflichten, die in zumutbarer Weise zu erfüllen sind, bezeichnen.
(Quelle: Bundesministerium der Justiz - https://www.gesetze-im-internet.de/aufenthg_2004/__104c.html)
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Arbeitshilfen zum Chancen-Aufenthaltsrecht  (Rechtsstand: Januar 2023)

... Klick mich

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Hier noch mehr:

 

Das Chancen-Aufenthaltsrecht ist in Kraft! 

Mit dem § 104c AufenthG gibt es seit 1.1.2023 ein 18-monatiges Aufenthaltsrecht für Menschen, die folgende Voraussetzungen erfüllen:

  • Duldung
  • am 31.10.2022 fünf Jahre ununterbrochener Aufenthalt in Deutschland 
  • Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung
  • keine vorsätzlichen Straftaten über 50 (allgemeine Straftaten) bzw. 90 (Straftaten nach dem Asyl-/Aufenthaltsrecht)Tagesätzen
  • keine wiederholten vorsätzlichen falschen Angaben über Identität/Staatsangehörigkeit, durch die die Abschiebung verhindert wird

Personen, die diese Voraussetzungen erfüllen, sollen sich umgehend beraten lassen, um zu klären, ob sie einen Antrag auf das Chancen-Aufenthaltsrecht stellen sollen! 

Eine zeitnahe Beratung ist auch deshalb wichtig, weil unklar ist, bis wann der bisher faktisch geltende Abschiebestopp für Personen, die die Voraussetzungen für § 104c AufenthG erfüllen, aber (noch) keinen Antrag gestellt haben, gilt. 

Zeitgleich mit dem Chancen-Aufenthaltsrecht sind Veränderungen bei den Bleiberechtsregelungen nach §§ 25a und 25b AufenthG in Kraft getreten. Unter anderem wurden die Voraufenthaltszeiten deutlich reduziert. Dadurch haben geduldete Menschen von 14 bis 26 Jahren nun schon nach drei Jahren Aufenthalt in Deutschland die Option auf § 25a AufenthG. Geduldete ab 27 Jahren können nach sechs (bzw. wenn sie mit minderjährigen Kindern zusammenleben nach vier) Jahren § 25b AufenthG bekommen.  

In diesem Sondernewsletter stellen wir Ihnen Arbeitshilfen und Videos zu den Gesetzesänderungen zur Verfügung und verweisen auf Veranstaltungen zu dem Thema. Zeitnah werden wir auch mehrsprachige Kurz-Videos auf Facebookund Instagram zum Chancen-Aufenthaltsrecht veröffentlichen. Schauen Sie für Updates regelmäßig auf unserer Homepage vorbei.

Bitte streuen Sie diese Informationen großflächig, damit so viele Menschen wie möglich von den Gesetzesänderungen profitieren können!

Herzliche Grüße,

Der Vorstand und die Mitarbeiter*innen der Geschäftsstelle des Flüchtlingsrats Baden-Württemberg.

Arbeitshilfen

 

PRO ASYL: Fragen und Antworten

Wer kann das Chancen-Aufenthaltsrecht bekommen? Wie kann man es beantragen? Diese und weitere Fragen beantwortet PRO ASYL in seinen FAQs.

 

Netzwerk Berlin hilft: Chancen-Aufenthalt

Das Netzwerk Berlin hilft stellt ausführliche Informationen zu Voraussetzungen und Bedingungen für die Aufenthaltserlaubnis nach § 104c AufenthG dar. Achtung: Die Informationen zur Antragstellung beziehen sich auf Berlin und sind nicht auf Baden-Württemberg übertragbar. In Baden-Württemberg wird der Antrag auf § 104c AufenthG bei der lokalen Ausländerbehörde gestellt.

 

Materialien der Diakonie Deutschland zu § 104c AufenthG

Die Diakonie Deutschland hat Beratungshinweise und Checklisten zu §§ 25a, 25b und 104c AufenthG herausgegeben.

 

GGUA: Übersicht Sozialrechtliche Ansprüche mit Aufenthaltserlaubnis nach § 104c AufenthG 

Haben Personen mit einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104c AufenthG Zugang zu SGB II-Leistungen? Bekommen sie Eltern- oder Kindergeld? Diese und weitere Fragen lassen sich durch einen Blick in die Übersicht der GGUA beantworten.

 

Handbook Germany: Chancen-Aufenthaltsrecht

Handbook Germany hat häufige Fragen zum Chancen-Aufenthaltsgesetz auf seiner Seite zusammengefasst. Dort gibt es auch ein Video, in dem die Voraussetzungen kurz erklärt werden.

Videos

 
 
 

Videos über das Chancenaufenthaltsrecht 

PRO ASYL und Unternehmen integrieren Flüchtlinge fassen die Voraussetzungen für das Chancen-Aufenthaltsrecht knapp in Videos zusammen. 

 

Musterschreiben und Gesetzesmaterialien

 

Musterschreiben für Anträge auf §§ 104c, 25a und 25b AufenthG

Auf Basis von Vorlagen des Flüchtlingsrats Thüringen haben wir Musterschreiben für die Aufenthaltserlaubnisse nach § 104c AufenthG, § 25a AufenthG und § 25b AufenthG verfasst. Diese können die Antragstellung erleichtern. WICHTIG: Die Musterschreiben müssen sorgfältig auf den jeweiligen Fall angepasst werden. Im Zweifel sollte immer der Rat einer Beratungsstelle eingeholt werden.

 

Anwendungshinweise des Bundes zu § 104c AufenthG

Das Bundesministerium des Inneren (BMI) hat am 23.12.2022 Anwendungshinweise zum Chancen-Aufenthaltsrecht veröffentlicht. Baden-Württemberg wird keine gesonderten Anwendungshinweise erlassen. 

Gesetzestext:


Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet 1) (Aufenthaltsgesetz - AufenthG)
§ 104c Chancen-Aufenthaltsrecht

(1) Einem geduldeten Ausländer soll abweichend von § 5 Absatz 1 Nummer 1, 1a und 4 sowie § 5 Absatz 2 eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn er sich am 31. Oktober 2022 seit fünf Jahren ununterbrochen geduldet, gestattet oder mit einer Aufenthaltserlaubnis im Bundesgebiet aufgehalten hat und er
1.
sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland bekennt und
2.
nicht wegen einer im Bundesgebiet begangenen vorsätzlichen Straftat verurteilt wurde, wobei Geldstrafen von insgesamt bis zu 50 Tagessätzen oder bis zu 90 Tagessätzen wegen Straftaten, die nach dem Aufenthaltsgesetz oder dem Asylgesetz nur von Ausländern begangen werden können, oder Verurteilungen nach dem Jugendstrafrecht, die nicht auf Jugendstrafe lauten, grundsätzlich außer Betracht bleiben.
Die Aufenthaltserlaubnis nach Satz 1 soll versagt werden, wenn der Ausländer wiederholt vorsätzlich falsche Angaben gemacht oder über seine Identität oder Staatsangehörigkeit getäuscht hat und dadurch seine Abschiebung verhindert. Für die Anwendung des Satzes 1 sind auch die in § 60b Absatz 5 Satz 1 genannten Zeiten anzurechnen.
(2) Dem Ehegatten, dem Lebenspartner und minderjährigen, ledigen Kindern, die mit einem Begünstigten nach Absatz 1 in häuslicher Gemeinschaft leben, soll unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 Nummer 1 und 2 eine Aufenthaltserlaubnis auch dann erteilt werden, wenn diese sich am 31. Oktober 2022 noch nicht seit fünf Jahren ununterbrochen geduldet, gestattet oder mit einer Aufenthaltserlaubnis im Bundesgebiet aufgehalten haben. Das Gleiche gilt für das volljährige ledige Kind, wenn es bei der Einreise in das Bundesgebiet minderjährig war. Absatz 1 Satz 2 findet entsprechende Anwendung.
(3) Die Aufenthaltserlaubnis kann abweichend von § 10 Absatz 3 Satz 2 erteilt werden. Sie gilt als Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5. Sie wird für 18 Monate erteilt und ist nicht verlängerbar. Während des Aufenthalts nach Satz 3 kann nur eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a oder § 25b erteilt werden. Der Antrag auf Erteilung eines anderen Aufenthaltstitels als nach § 25a oder § 25b entfaltet nicht die Wirkung nach § 81 Absatz 4.
(4) Der Ausländer ist spätestens bei der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis auf die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25b und, falls er das 27. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, nach § 25a hinzuweisen. Dabei soll die Ausländerbehörde auch konkrete Handlungspflichten, die in zumutbarer Weise zu erfüllen sind, bezeichnen.
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Übersicht und Erläuterungen zum Chancen-Aufenthaltsrecht vom

Netzwerk Berlin hilft:

 

Chancen-Aufenthalt: Alle Infos und Details zu § 104c AufenthG

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Das neue Chancen-Aufenthalts-Recht nach § 104c AufenthG soll Menschen mit einer Duldung die Möglichkeit geben, eine Aufenthaltserlaubnis zu bekommen, wenn sie am 31.10.2022 seit mindestens 5 Jahren bereits in Deutschland sind. Die weiteren Voraussetzungen stellen wir ausführlich dar.

Das Gesetz ist seit Ende 2022 in Kraft. Anträge können also seit 01.01.2023 bundesweit gestellt werden. 

Wenn Menschen noch nicht die jeweiligen Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a oder § 25b erfüllen, soll ihnen über das Chancen-Aufenthaltsrecht bereits für maximal 18 Monate eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, die dazu dient, in diesen max. 18 Monaten die jeweiligen Voraussetzungen für eine Aufenthaltserlaubnis nach einem der beiden §§ erfüllen zu können. 

Deshalb wird bei der Erteilung auf sonst wesentliche Voraussetzungen wie die Lebensunterhaltssicherung durch eigenes Einkommen, der Besitz eines Passes oder die Klärung der Identität verzichtet. 

Die Erteilung dieses Chancen-Aufenthaltes soll gerade dazu genutzt werden, in diesem Zeitraum genau diese Voraussetzungen zu erfüllen. 

Genereller Überblick

  • Die Aufenthaltserlaubnis nach § 104c AufenthG wird grundsätzlich immer für 18 Monate erteilt. Sie ist nicht verlängerbar. (§104c Abs 3 S. 3)
  • Während des Chancen-Aufenthalts kann grundsätzlich nur eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a oder § 25b erteilt werden. Zu Details siehe unten. (§ 104c Abs 3 S. 4)
  • Den Antrag auf diese Aufenthaltserlaubnis kann man nur dann stellen, wenn man im Besitz einer Duldung ist oder hierauf einen Anspruch hat. (§104c Abs. 1 S. 1)
  • Die Erwerbstätigkeit ist grundsätzlich und immer erlaubt. (§ 4a Abs 1 S. 1)
  • Ein Familiennachzug über § 104c ist ausdrücklich ausgeschlossen (§29 Abs 3 S. 3).
  • Familienmitglieder im gleichen Haushalt können diese Aufenthaltserlaubnis ebenso bekommen. Hier gelten (mit Ausnahme des 5jährigen Aufenthaltes) die gleichen Bedingungen. (§104c Abs. 2)
  • Mit dieser Aufenthaltserlaubnis besteht Zugang zu Leistungen nach SGB II bzw. XII
  • Ein Anspruch auf Zugang zum Integrationskurs besteht hingegen nicht. Hier ist die Teilnahme nur im Rahmen verfügbarer Plätze möglich (§ 44 AufenthG)
  • Die Regelung ist befristet bis zum 31.12.2025. Dies muss man bei der zukünftigen Antragstellung insofern beachten, dass die Aufenthaltserlaubnis nach § 104c bis zum 31.12.2025 auch tatsächlich erteilt sein muss und ein Antrag etwa am 30.12.2025 alleine nicht ausreicht, da eine Übergangsregelung fehlt.  

Damit gibt es nun einen weiteren Weg, wie man aus einer Duldung heraus in eine Aufenthaltserlaubnis gelangen kann.

Voraussetzungen

Dennoch gibt es natürlich weitere Voraussetzungen, die vorliegen müssen, damit eine solche Aufenthaltserlaubnis erteilt werden kann. 

1. Duldung oder Anspruch auf eine Duldung

Die erste Voraussetzung ist, dass man eine Aufenthaltserlaubnis nach § 104c nur dann beantragen kann, wenn man im Besitz einer Duldung ist oder einen Anspruch auf die Erteilung einer Duldung hat. 

Auf eine Mindestbesitzzeit einer Duldung kommt es dabei nicht an. 

Der maßgebliche Zeitpunkt dafür ist nicht das Datum der Antragstellung, sondern der Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag. 

Einen Anspruch auf Erteilung einer Duldung hat man dann, wenn eine Abschiebung aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist (§ 60a Abs. 2 S. 1 AufenthG).

Man kann also den Chancen-Aufenthalt nicht beantragen, wenn man mit einer Aufenthaltsgestattung noch im Asylverfahren oder im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis ist („Einem geduldeten Ausländer soll … eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden…“ § 104c Abs 1). 

Wurde ein Asylantrag nach § 30 AsylG als „offensichtlich unbegründet“ abgelehnt, ist dennoch der Chancen-Aufenthalt möglich. Gleiches gilt auch bei einfach abgelehnten Asylanträgen oder auch bei Rücknahme des Asylantrages in der Vergangenheit („Die Aufenthaltserlaubnis kann abweichend von § 10 Absatz 3 Satz 2 erteilt werden. Sie gilt als Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5.“ § 104c Abs. 3 S. 2).

Eine Duldung nach § 60 b AufenthG („Duldung light“) sperrt hier den Zugang nicht. Ebenso werden die Zeiten in einer solche Duldung auch auf die o.g. 5 Jahre mit angerechnet. Zu beachten sind hingegen die unten benannten Versagungsgründe. (§ 104c Abs. 1 S. 3)

2. 5 Jahre Aufenthalt am 31.10.2022

Man muss am 31.10.2022 seit mindestens 5 Jahren in Deutschland sein. In diesen 5 Jahren muss man sich gestattet (also im Asylverfahren), mit einer Aufenthaltserlaubnis oder geduldet aufgehalten haben. 

Dabei zählen auch die Zeiten mit, die man im Besitz eines Ankunftsnachweises, einer BÜMA oder einer Fiktionsbescheinigung nach § 81 Abs. 4 AufenthG war. Ebenso zählen Zeiten mit, wenn man eine sog. „Duldung light“ nach § 60b hatte oder – bei unbegleitet Minderjährigen – Zeiten mit einer „U18-Bescheinigung“ (Berlin).  

Kurzfristige Unterbrechungen von jeweils bis zu 3 Monaten mitBesitz einer Grenzübertrittsbescheinigung (GÜB) sowie Aufenthalts-Unterbrechungen im Bundesgebiet ohne Verlegung des Lebensmittelpunkts sind nach der Gesetzesbegründung ebenso unschädlich Schaubild Variante A).

Hierzu zählt z.B. der Besitz einer Grenzübertrittsbescheinigung sowie Abwesenheiten, die keine Verlegung des Lebensmittelpunkts waren. Dies sind z.B. kurzfristige, auch mehrfache, Ausreisen, etwa zum Urlaub oder Besuchsreisen

(Hinweis zum Schaubild: Die gewählten Abläufe und Daten am Beginn von Variante A sind willkürlich und dienen nur zur Verdeutlichung)

Bei Unterbrechungen muss man hingegen zwischen schädlichen und unschädlichen unterscheiden:

Unschädliche Unterbrechungen zählen selbst nicht in den notwendigen 5jährigen Voraufenthalt, vorgehende Zeiten bleiben jedoch erhalten. 

Bei schädlichen Unterbrechungen hingegen beginnt die Anrechnung von Zeiten erst danach und neu. 

Längerfristige Unterbrechungen (z.B. Reisen über 3 Monate (bei Besitz einer Aufenthaltserlaubnis beachte § 51 Abs. 1 Nr. 7) oder Zeiten des Aufenthalts in Deutschland ohne Aufenthaltstitel, Duldung oder eine andere der o.g. Bescheinigungen werden hingegen nicht angerechnet. Die Voraufenthaltszeiten vor dieser Unterbrechung werden aber dann berücksichtigt. (Schaubild Variante B)

Jede Verlegung des Lebensmittelpunktes unterbricht jedoch nicht nur die erforderliche Zeit von 5 Jahren. Vielmehr werden dann die Voraufenthaltszeiten nicht angerechnet. Als Verlegung gelten insbesondere eine Überstellung im Dublin-Verfahren, freiwillige Ausreise, Abschiebung oder Asylantragstellung in einem anderen EU-Mitgliedstaat. (Schaubild Variante C)

(Hinweis zum Schaubild: Die gewählten Abläufe und Daten am Beginn sind willkürlich und dienen nur zur Verdeutlichung)

3. Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung

Man muss sich schriftlich zur sog. freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekennen. Dabei geht es nicht ausschließlich um eine formelle Abgabe dieser Erklärung, sondern um eine Identifikation mit eben dieser Grundordnung an sich. 

Bei Menschen, die in Deutschland entweder einen Schul-, einen Berufs-  oder einen Studienabschluss erlangt haben, wird unterstellt, dass Betroffenen klar ist, was der Inhalt dieser Erklärung ist. Soweit keine anderen Anhaltspunkte bekannt sind, wird dann Identifikation mit diesem Bekenntnis als erfüllt angesehen. 

4. Keine vorsätzlichen Straftaten

Keinen Zugang zum Chancen-Aufenthalt erhalten Menschen, die wegen vorsätzlich begangener Straftaten in Deutschland verurteilt wurden. 

Dabei bleiben Geldstrafen mit bis zu 50 Tagessätzen bzw. 90 Tagessätzen, wenn es sich um Straftaten nach dem AsylG bzw. AufenthG begangen wurden und nur von AusländerInnen begangen werden können, unberücksichtigt. Gleiches gilt auch für Verurteilungen nach dem Jugendstrafrecht, die nicht auf Jugendstrafe lauten (§ 104c Abs. 1 Satz 1 Nr. 2).

5. Verzicht auf Regelerteilungsvoraussetzungen

Die Besonderheit bei der Aufenthaltserlaubnis nach § 104c ist, dass langjährig Geduldeten eine Möglichkeit zum Erhalt einer Aufenthaltserlaubnis bekommen sollen, um damit bessere Chancen zu bekommen, dann die Voraussetzungen zu erfüllen, die später für die Erteilung der Erlaubnisse nach § 25a oder b erforderlich sind. 

Der Zeitraum von 18 Monaten soll gerade dazu dienen, Zeit und Möglichkeit zu haben, die wesentlichen Voraussetzungen zu erfüllen. 

Aus diesem Grund wird für die Erteilung der Chancen-Aufenthalts-Erlaubnis ausdrücklich auf die Passpflicht, die Identitätsklärung und die Lebensunterhaltssicherung verzichtet. (Verzicht auf § 5 Abs. 1 Nr. 1, 1a und 4) Ebenso wird nicht die Einreise mit dem erforderlichen Visum vorausgesetzt. (Verzicht auf § 5 Abs. 2). (§ 104c Abs. 1) 

6. Keine Versagungsgründe

Das Gesetz benennt mehrere Gründe, bei denen der Chancen-Aufenthalt versagt werden muss. 

Die Aufenthaltserlaubnis nach Satz 1 soll versagt werden, wenn der Ausländer wiederholt vorsätzlich falsche Angaben gemacht oder über seine Identität oder Staatsangehörigkeit getäuscht hat und dadurch seine Abschiebung verhindert. Für die Anwendung des Satzes 1 sind auch die in § 60b Absatz 5 Satz 1 genannten Zeiten anzurechnen.

(§ 104 c Abs. 1 Satz 2)

Hier handelt es sich um sog. „gebundenes Ermessen“ („soll versagt werden“), also einer Ausübung des Ermessens, das in solchen Fällen regelmäßig zu Lasten der Betroffenen ausgelegt wird. 

Gründe für Versagung

Benannt sind im Gesetz zwei Gruppen von Gründen, die zur Versagung der Aufenthaltserlaubnis führen. Bei beiden ist jeweils ein aktives und persönliches Handeln der Betroffenen erforderlich, damit dies als Versagungsgrund gilt:

A) wiederholte vorsätzlich falsche Angaben

Wichtig sind in diesem Zusammenhang die Worte „wiederholt“ und „vorsätzlich“. Und natürlich kommt es hierbei auch auf die Intensität an. In den Anwendungshinweisen des Bundesministerium des Innern (BMI) finden sich hierzu entsprechende Ausführungen:

Der Ausschlussgrund kann nur in Fällen einer besonderen Intensität und Dauerhaftigkeit der Täuschung in Betracht kommen. Regelmäßig keine Täuschung ist beispielsweise die Verwendung zulässiger Varianten von Transliterationen (Anmerkung Berlin hilft: Gemeint sind Schreibweisen). Herkunftsstaaten transliterieren Namen aus anderen Schriftarten unterschiedlich und häufig auch innerhalb der eigenen Verwaltung uneinheitlich, und es ist einem Ausländer aus einem Staat, der standardmäßig keine lateinische Schrift verwendet, oftmals nicht bekannt, welche Variante des Namens in lateinischer Schrift sein Herkunftsstaat in einem bestimmten Zusammenhang verwendet. (Anwendungshinweise BMI 23.12.2022)

Bloßes Schweigen ist keine Täuschung. Ebenso liegt keine Täuschung vor, wenn ein Ausländer lediglich über eine Registrierung mit falschen Daten, die nicht von ihm selbst stammen, unterrichtet wird und sich hierzu verschweigt. 

Die bloße Nicht-Mitwirkung – also das Unterlassen zumutbarer Handlungen zur Passbeschaffung und fehlende Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen – ist hingegen unschädlich.

Anwendungshinweise BM! 23.12.2022

 

Wiederholt bedeutet in diesem Kontext, dass man mehrfach falsche Angaben verwendet oder auch mehrfach gegenüber unterschiedlichen Behörden mit den gleichen falschen Angaben gegenüber auftrat. Wie gesagt: Einfache Unterschiede in der Schreibweise etc. Gelten dabei nicht als falsche Angaben.

Wichtig: Anwendungshinweise des BMI sind dabei nicht verbindlich für die jeweiligen Bundesländer.

B) Täuschung über Identität oder Staatsangehörigkeit

Dazu führt das BMI aus: 

Eine Täuschung über die Staatsangehörigkeit liegt vor, wenn der Ausländer selbst und bewusst

– eine andere Staatsangehörigkeit angibt, als er tatsächlich besitzt,
– trotz der Frage nach allen Staatsangehörigkeiten eine Staatsangehörigkeit verschweigt oder
– unrichtig angibt, keine Staatsangehörigkeit zu besitzen.

Anwendungshinweise BMI 23.12.2022

Hierzu muss man dann noch weiter unterscheiden: 

Falsche Staatsangehörigkeit angeben: Immer bewusste Täuschung

Weitere Staatsangehörigkeit verschwiegen: Betroffenen muss 1. bewusst sein, dass sie mehrere Staatsangehörigkeiten auch angeben mussten und 2. dass sie eine weitere Staatsangehörigkeit überhaupt besitzen.

Bei angegebener Staatenlosigkeit: Der Einzelfall entscheidet, insbesondere, ob Betroffene von einer Staatsangehörigkeit überhaupt wußten und von ihr Gebrauch machten. 

Bei beiden Fallgruppen gilt: 

Wichtig dabei: Ein solcher Grund muss wesentlich ursächlich für die Verhinderung der Ausreise bzw. Abschiebung. Gibt es neben einem dieser beiden Gründe weitere, die dazu führen, dass eine Ausreise/Abschiebung nicht möglich ist, dann würde auch dies nicht dazu führen, dass der Chancen-Aufenthalt nicht anwendbar wäre. Besteht also beispielsweise eine Reiseunfähigkeit oder gibt es keine Flugverbindungen, würden diese ohnehin bestehenden Abschiebungshindernisse dazu führen, dass es auf falsche Angaben oder Täuschung nicht mehr ankommt. 

Grundsätzlich muss es dabei wie dargestellt um eigene und aktive Handlungen handeln. Ausgenommen sind deshalb grundsätzlich Minderjährige oder auch solche  Handlungen, die entweder von Eltern oder  Vormündern/Betreuern erfolgt sind. Hingegen wird man Vorträge von jeweils selbst beauftragten RechtsanwältInnen den Betroffenen auch zurechnen. 

Daneben ist bei jungen Erwachsenen zwischen 18 und 27 Jahren ein großzügiger Maßstab zur Beurteilung anzulegen. (VAB Berlin)

Im übrigen sollen diese Ausschlussgründe eben auch nicht die im Gesetz gerade angelegte Möglichkeit zunichte machen, die Identität während der 18-monatigen Gültigkeit der Chancen-Aufenthaltserlaubnis zu klären. Dies ist ja gerade der Sinn des Gesetzes. 

Hierzu noch einmal das BMI: 

Sofern während dieser Gültigkeitsdauer die Identität geklärt wird und sich dabei ergibt, dass der Ausländer zuvor getäuscht hat, führt diese Erkenntnis nicht zu einem Erlöschen des Chancen-Aufenthaltstitels. Es entspricht der Intention des Gesetzes, dass sich die „Ehrlichmachung“ für ihn nicht nachteilig auswirken soll. Mit der nunmehr geklärten Identität ist im Übrigen auch die Voraussetzung des § 5 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1a AufenthG für den Anschlusstitel erfüllt.

Anwendungshinweise BMI 23.12.2022

Chancen-Aufenthalt für Familienangehörige

Auch Familienangehörige können den Chancen-Aufenthalt erhalten. Wesentliche erste Voraussetzung ist dabei, dass diese Familienangehörigen in häuslicher Gemeinschaft leben müssen. 

Ist dies der Fall, kann ein Chancen-Aufenthalt an Familienangehörige auch dann erteilt werden, wenn diese Angehörigen selbst noch nicht seit mindestens 5 Jahren zum Stichtag 31.10.2022 in Deutschland waren.

Diese Familienmitglieder müssen jedoch selbst auch alle anderen Voraussetzungen erfüllen. 

Mit eingeschlossen sind auch Kinder, die inzwischen volljährig sind, jedoch zum Zeitpunkt der Einreise nach Deutschland noch minderjährig waren. Sie müssen jedoch weiterhin im Haushalt des sog. Stammberechtigten leben. 

Aufenthaltserlaubnis nach 18 Monaten

Grundsätzlich ist gesetzessystematisch vorgesehen, eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a oder § 25b am Ende der 18 Monate, die die Aufenthaltserlaubnis nach § 104c maximal läuft, zu erteilen. (§ 104c Abs 3)

Sind die Voraussetzungen nach § 25a oder § 25b bereits während dieser max. 18 Monate schon erfüllt, kann dies natürlich auch schon früher beantragt und erteilt werden. 

Wird noch während der Laufzeit der Aufenthaltserlaubnis nach § 104c ein Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a oder b gestellt und läuft die Aufenthaltserlaubnis nach § 104c danach ab, gilt hier die Fiktionswirkung nach § 81 Abs. 4. Die Rechte aus der Aufenthaltserlaubnis nach § 104c bleiben also dann auch nach deren Ablauf weiter bestehen. 

Andere Aufenthaltserlaubnis als § 25a / 25b?

Grundsätzlich möglich ist auch, eine andere Aufenthaltserlaubnis aus dem Besitz des Chancen-Aufenthaltes heraus zu beantragen. Zu beachten ist hier jedoch, dass dann ein solcher Antrag keine Fiktionswirkung nach § 81 Abs 4 entfaltet und ggfls. eine Aufenthaltserlaubnis nach § 104c erlischt, bevor eine andere Aufenthaltserlaubnis erteilt wurde und dann ggfls. wieder eine Duldung ausgestellt werden müßte. 

Erfüllt man hingegen neben den Voraussetzungen für eine andere Aufenthaltserlaubnis bei Beantragung auch die Voraussetzungen einer Erlaubnis nach § 25a oder b, kann für eine denklogische Sekunde diese Erlaubnis nach § 25a oder b erteilt und dann die Erlaubnis nach dem anderen Aufenthaltszweck ausgestellt werden.

Sind nach Ablauf der 18 Monate keine Anträge gestellt worden, weil die Voraussetzungen nicht erfüllt werden können, fallen die Betroffenen wieder in die vollziehbare Ausreisepflicht. Sofern möglich, müßte dann erneut eine Duldung beantragt werden, wenn es hierfür entsprechende Gründe gibt.

Hinweispflichten der Ausländerbehörde

Wichtig ist,  dass das Gesetz den Ausländerbehörden Hinweispflichten auferlegt:

„1Der Ausländer ist spätestens bei der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis auf die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25b und, falls er das 27. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, nach § 25a hinzuweisen
2Dabei soll die Ausländerbehörde auch konkrete Handlungspflichten, die in zumutbarer Weise zu erfüllen sind, bezeichnen.“ 

§ 104c Abs. 4 AufenthG

Während die allgemeine Hinweispflicht nach Satz 1 auch ebenso allgemein erfüllt werden kann, sind die Hinweispflichten nach Satz 2 hingegen individuell und speziell. 

Hier muss die Ausländerbehörde gerade bezogen auf die Pflichten zur Passbeschaffung konkrete tatsächlich mögliche Schritte benennen, die im jeweiligen Einzelfall und auch bezogen auf das jeweilige Herkunftsland umsetzbar und möglich sind. 

In der Gesetzesbegründung heißt es hierzu:

Zu Absatz 4

Die Ausländerbehörde soll den Ausländer, etwa durch ein verständliches Merkblatt, darauf hinweisen, dass ein weiterer erlaubter Aufenthalt von der Erfüllung bestimmter weiterer Voraussetzungen abhängen wird. Damit soll er motiviert werden, die Chance, die ihm durch die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach § 104c AufenthG-E eingeräumt wird, auch zu nutzen. Es sind somit die Voraussetzungen des § 25b AufenthG oder, sofern wegen des Alters des Ausländers § 25a AufenthG einschlägig sein kann, des § 25a AufenthG zu erläutern. Hierzu gehören insbesondere die Anforderungen an die Klärung der Identität nach § 25a Absatz 6 beziehungsweise § 25b Absatz 8. Insbesondere auch hierzu soll die Ausländerbehörde konkrete Handlungspflichten, die in zumutbarer Weise zu erfüllen sind, bezeichnen.

Gesetzesbegründung zum Chancen-Aufenthaltsgesetz

Das LEA Berlin sagt hierzu:

Zu § 104c Abs. 4 S. 2 bedarf es vor dem Hintergrund der Komplexität der Hilfestellung des Bundes. Entsprechend wird das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge über das Bundesministerium des Innern gebeten, bundeseinheitliche mehrsprachige Hinweisblätter zu erstellen. 

LEA Berlin VAB zu § 104c

 

Nach unserer Auffassung reichen bundesweit gültige Hinweisblätter nicht aus. Hier könnten insbesondere zur Passbeschaffung zwar je nach Herkunftsland die grundsätzlichen Schritte dargestellt werden, jedoch nicht die im jeweiligen Einzelfall notwendigen, die von den grundsätzlichen ja abweichen können. 

Die Hinweisblätter des Bundesministerium des Innern (BMI) sagen dazu:

Es ist Ihre Aufgabe und nicht die Aufgabe deutscher Behörden, herauszufinden, wie Sie einen Pass oder Passersatz von Ihrem Herkunftsstaat erhalten. Es ist auch Ihre Aufgabe, die erforderlichen Dokumente und Lichtbilder auf eigene Kosten zu beschaffen und die Ausstellung des Passes oder Passersatzes zu beantragen. Wenn Sie nachweisen können, dass Sie unzumutbare Schwierigkeiten haben, einen Pass zu erhalten, kann unter einigen weiteren Voraussetzungen die Möglichkeit bestehen, dass Sie mit anderen Dokumenten Ihres Herkunftsstaats Ihre Identität und Staatsangehörigkeit klären. Wenden Sie sich bitte zur Besprechung der notwendigen Schritte an Ihren Ansprechpartner in der Ausländerbehörde.

Hinweisblatt BMI für AntragstellerInnen

Hier besteht in jedem Fall noch grundsätzlicher Klärungsbedarf zum Verfahren. Allerdings scheint nicht erwartbar, dass dies zeitnah geschieht. 

Insofern gilt hier unser „alter“ und genereller Rat, alle Bemühungen zur Passbeschaffung zu dokumentieren. Hierzu zählen natürlich Terminbuchungen bei Botschaften oder Botschaftsbesuche, aber auch z.B. schriftliche Anträge, Emails, Kontaktaufnahmen im Heimatland, Recherchen zur Passbeschaffung etc. 

Antragstellung

Anträge auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach dem Chancen-Aufenthaltsrecht können grundsätzlich formlos gestellt werden.

In Berlin beim LEA können (und sollen) ONLINE gestellt werden. Das LEA Berlin weist ausdrücklich darauf hin, dass schriftliche Anträge und solche per email nachrangig bearbeitet werden sollen. 

 

Weiterführende Hinweise auf der Website des LEA Berlin zur Antragstellung sind an dieser Stelle zu finden. 

Zu den Änderungen und neuen Voraussetzungen für Aufenthaltserlaubnisse nach § 25a und § 25b folgen in Kürze gesonderte Beiträge. 

Wir haben eine kurze Checkliste zur Beratung erarbeitet, die nachfolgend auch zum download verlinkt ist.

Bitte hierzu, aber auch allen anderen Ausführungen: Gerne Anmerkungen, Hinweise oder Ergänzungen an: christian.lueder@berlin-hilft.com

Quellen und weiteres Material

§ 104c Aufenthg

Gesetz (Entwurf mit Begründung Stand 28.09.2022)

Änderungen und Beschlüsse Innenausschuss vom 30.11.2022

Anwendungshinweise BMI 23.12.2022

Synopse mit allen Änderungen im AufenthG

 

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Presse

Innenminister Pistorius begrüßt Verabschiedung des Chancen-Aufenthaltsrechtes im Bundesrat
Pistorius: „Ein echter Meilenstein auf dem Weg in ein modernes Migrationsrecht“

Der Bundesrat hat in seiner heutigen Sitzung (16.12.2022) den bereits vom Bundestag be- schlossenen Gesetzentwurf zur Einführung eines Chancen-Aufenthaltsrechtes gebilligt. Da- mit ist der Weg frei für ein zeitnahes Inkrafttreten dieses Gesetzes. Zentraler Bestandteil der Neuregelungen ist, dass langjährig Geduldete, die sich zum Stichtag 31.10.2022 fünf Jahre in Deutschland aufgehalten haben, nicht straffällig geworden sind und sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung bekennen, durch eine achtzehnmonatige Aufenthaltserlaub- nis die Möglichkeit erhalten, die notwendigen Voraussetzungen für ein dauerhaftes Bleibe- recht zu erfüllen. Parallel werden bei den bestehenden stichtagsunabhängigen Bleiberechts- regelungen die notwendigen Voraufenthaltszeiten abgesenkt und der Kreis der hiervon profi- tierenden Ausländerinnen und Ausländer erweitert.

Der Niedersächsische Minister für Inneres und Sport, Boris Pistorius, sagt: „Das Chancen- Aufenthaltsrecht ist ein echter Meilenstein auf dem Weg in ein längst überfälliges, zeitgemä- ßes Migrationsrecht. Es handelt sich um einen entscheidenden, migrationspolitischen Para- digmenwechsel. Wir schaffen damit eine echte Bleibeoption für ausreisepflichtige Auslände- rinnen und Ausländer, die bislang von sogenannten Kettenduldungen betroffen waren. Diese Chance verbinden wir mit der Erwartung, dass sich diese Menschen hier schnell integrieren und an der Klärung ihrer Identität mitwirken. Gleichzeitig schaffen wir Rechtssicherheit für diejenigen, die bereits gezeigt haben, dass sie sich in unsere Gesellschaft einbringen und unseren Arbeitsmarkt bereichern wollen. Ich freue mich, dass dieses Chancen-Aufenthalts- recht, das ich im Bereich Migration des Ampel-Koalitionsvertrages federführend verhandelt habe, nun zeitnah in Kraft treten kann.“

Niedersächsisches Ministerium für Inneres und Sport

16.12.2022

Nr. 195/2022 Philipp Wedelich Pressestelle
Lavesallee 6, 30169 Hannover

Tel.: (0511) 120-6259 Fax: (0511) 120-99-6259

www.mi.niedersachsen.de
E-Mail: pressestelle@mi.niedersachsen.de

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Nach dem heutigen Beschluss des Bundesrates muss das Gesetz noch von Bundespräsi-dent Steinmeier unterzeichnet und im Bundesgesetzblatt verkündet werden, damit es in Kraft treten kann. Bis dahin gilt in Niedersachsen eine bereits im Mai dieses Jahres erlassene Vor- griffsregelung. Damit wird gewährleistet, dass Personen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit in den Anwendungsbereich der künftigen bundesgesetzlichen Regelungen fallen werden, be- reits jetzt eine so genannte Ermessensduldung (§ 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG) erhalten, so- weit diese Personen nicht ohnehin im Besitz einer Duldung sind.