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1 Das neue Chancen-Aufenthalts-Recht nach § 104c AufenthG soll Menschen
mit einer Duldung die Möglichkeit geben, eine Aufenthaltserlaubnis zu bekommen, wenn sie am 31.10.2022 seit mindestens 5 Jahren bereits in Deutschland sind. Die weiteren
Voraussetzungen stellen wir ausführlich dar.
- 1.1 Genereller Überblick
- 1.2 Voraussetzungen
- 1.3 Chancen-Aufenthalt für Familienangehörige
- 1.4 Aufenthaltserlaubnis nach 18 Monaten
- 1.5 Andere Aufenthaltserlaubnis als § 25a / 25b?
- 1.6 Hinweispflichten der Ausländerbehörde
- 1.7 Antragstellung
- 1.8 Quellen und weiteres Material
Das neue Chancen-Aufenthalts-Recht nach § 104c AufenthG soll Menschen mit einer Duldung die Möglichkeit geben, eine Aufenthaltserlaubnis zu bekommen, wenn sie am 31.10.2022 seit mindestens 5 Jahren bereits in Deutschland sind. Die weiteren Voraussetzungen stellen wir ausführlich dar.
Das Gesetz ist seit Ende 2022 in Kraft. Anträge können also seit 01.01.2023 bundesweit gestellt werden.
Wenn Menschen noch nicht die jeweiligen Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a oder § 25b erfüllen, soll ihnen über das Chancen-Aufenthaltsrecht bereits für maximal 18 Monate eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, die dazu dient, in diesen max. 18 Monaten die jeweiligen Voraussetzungen für eine Aufenthaltserlaubnis nach einem der beiden §§ erfüllen zu können.
Deshalb wird bei der Erteilung auf sonst wesentliche Voraussetzungen wie die Lebensunterhaltssicherung durch eigenes Einkommen, der Besitz eines Passes oder die Klärung der Identität verzichtet.
Die Erteilung dieses Chancen-Aufenthaltes soll gerade dazu genutzt werden, in diesem Zeitraum genau diese Voraussetzungen zu erfüllen.
Genereller Überblick
- Die Aufenthaltserlaubnis nach § 104c AufenthG wird grundsätzlich immer für 18 Monate erteilt. Sie ist nicht verlängerbar. (§104c Abs 3 S. 3)
- Während des Chancen-Aufenthalts kann grundsätzlich nur eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a oder § 25b erteilt werden. Zu Details siehe unten. (§ 104c Abs 3 S. 4)
- Den Antrag auf diese Aufenthaltserlaubnis kann man nur dann stellen, wenn man im Besitz einer Duldung ist oder hierauf einen Anspruch hat. (§104c Abs. 1 S. 1)
- Die Erwerbstätigkeit ist grundsätzlich und immer erlaubt. (§ 4a Abs 1 S. 1)
- Ein Familiennachzug über § 104c ist ausdrücklich ausgeschlossen (§29 Abs 3 S. 3).
- Familienmitglieder im gleichen Haushalt können diese Aufenthaltserlaubnis ebenso bekommen. Hier gelten (mit Ausnahme des 5jährigen Aufenthaltes) die gleichen Bedingungen. (§104c Abs. 2)
- Mit dieser Aufenthaltserlaubnis besteht Zugang zu Leistungen nach SGB II bzw. XII.
- Ein Anspruch auf Zugang zum Integrationskurs besteht hingegen nicht. Hier ist die Teilnahme nur im Rahmen verfügbarer Plätze möglich (§ 44 AufenthG)
- Die Regelung ist befristet bis zum 31.12.2025. Dies muss man bei der zukünftigen Antragstellung insofern beachten, dass die Aufenthaltserlaubnis nach § 104c bis zum 31.12.2025 auch tatsächlich erteilt sein muss und ein Antrag etwa am 30.12.2025 alleine nicht ausreicht, da eine Übergangsregelung fehlt.
Damit gibt es nun einen weiteren Weg, wie man aus einer Duldung heraus in eine Aufenthaltserlaubnis gelangen kann.
Voraussetzungen
Dennoch gibt es natürlich weitere Voraussetzungen, die vorliegen müssen, damit eine solche Aufenthaltserlaubnis erteilt werden kann.
1. Duldung oder Anspruch auf eine Duldung
Die erste Voraussetzung ist, dass man eine Aufenthaltserlaubnis nach § 104c nur dann beantragen kann, wenn man im Besitz einer Duldung ist oder einen Anspruch auf die Erteilung einer Duldung hat.
Auf eine Mindestbesitzzeit einer Duldung kommt es dabei nicht an.
Der maßgebliche Zeitpunkt dafür ist nicht das Datum der Antragstellung, sondern der Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag.
Einen Anspruch auf Erteilung einer Duldung hat man dann, wenn eine Abschiebung aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist (§ 60a Abs. 2 S. 1 AufenthG).
Man kann also den Chancen-Aufenthalt nicht beantragen, wenn man mit einer Aufenthaltsgestattung noch im Asylverfahren oder im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis ist („Einem geduldeten Ausländer soll … eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden…“ § 104c Abs 1).
Wurde ein Asylantrag nach § 30 AsylG als „offensichtlich unbegründet“ abgelehnt, ist dennoch der Chancen-Aufenthalt möglich. Gleiches gilt auch bei einfach abgelehnten Asylanträgen oder auch bei Rücknahme des Asylantrages in der Vergangenheit („Die Aufenthaltserlaubnis kann abweichend von § 10 Absatz 3 Satz 2 erteilt werden. Sie gilt als Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5.“ § 104c Abs. 3 S. 2).
Eine Duldung nach § 60 b AufenthG („Duldung light“) sperrt hier den Zugang nicht. Ebenso werden die Zeiten in einer solche Duldung auch auf die o.g. 5 Jahre mit angerechnet. Zu beachten sind hingegen die unten benannten Versagungsgründe. (§ 104c Abs. 1 S. 3)
2. 5 Jahre Aufenthalt am 31.10.2022
Man muss am 31.10.2022 seit mindestens 5 Jahren in Deutschland sein. In diesen 5 Jahren muss man sich gestattet (also im Asylverfahren), mit einer Aufenthaltserlaubnis oder geduldet aufgehalten haben.
Dabei zählen auch die Zeiten mit, die man im Besitz eines Ankunftsnachweises, einer BÜMA oder einer Fiktionsbescheinigung nach § 81 Abs. 4 AufenthG war. Ebenso zählen Zeiten mit, wenn man eine sog. „Duldung light“ nach § 60b hatte oder – bei unbegleitet Minderjährigen – Zeiten mit einer „U18-Bescheinigung“ (Berlin).
Kurzfristige Unterbrechungen von jeweils bis zu 3 Monaten mitBesitz einer Grenzübertrittsbescheinigung (GÜB) sowie Aufenthalts-Unterbrechungen im Bundesgebiet ohne Verlegung des Lebensmittelpunkts sind nach der Gesetzesbegründung ebenso unschädlich Schaubild Variante A).
Hierzu zählt z.B. der Besitz einer Grenzübertrittsbescheinigung sowie Abwesenheiten, die keine Verlegung des Lebensmittelpunkts waren. Dies sind z.B. kurzfristige, auch mehrfache, Ausreisen, etwa zum Urlaub oder Besuchsreisen
(Hinweis zum Schaubild: Die gewählten Abläufe und Daten am Beginn von Variante A sind willkürlich und dienen nur zur Verdeutlichung)
Bei Unterbrechungen muss man hingegen zwischen schädlichen und unschädlichen unterscheiden:
Unschädliche Unterbrechungen zählen selbst nicht in den notwendigen 5jährigen Voraufenthalt, vorgehende Zeiten bleiben jedoch erhalten.
Bei schädlichen Unterbrechungen hingegen beginnt die Anrechnung von Zeiten erst danach und neu.
Längerfristige Unterbrechungen (z.B. Reisen über 3 Monate (bei Besitz einer Aufenthaltserlaubnis beachte § 51 Abs. 1 Nr. 7) oder Zeiten des Aufenthalts in Deutschland ohne Aufenthaltstitel, Duldung oder eine andere der o.g. Bescheinigungen werden hingegen nicht angerechnet. Die Voraufenthaltszeiten vor dieser Unterbrechung werden aber dann berücksichtigt. (Schaubild Variante B)
Jede Verlegung des Lebensmittelpunktes unterbricht jedoch nicht nur die erforderliche Zeit von 5 Jahren. Vielmehr werden dann die Voraufenthaltszeiten nicht angerechnet. Als Verlegung gelten insbesondere eine Überstellung im Dublin-Verfahren, freiwillige Ausreise, Abschiebung oder Asylantragstellung in einem anderen EU-Mitgliedstaat. (Schaubild Variante C)
(Hinweis zum Schaubild: Die gewählten Abläufe und Daten am Beginn sind willkürlich und dienen nur zur Verdeutlichung)
3. Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung
Man muss sich schriftlich zur sog. freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekennen. Dabei geht es nicht ausschließlich um eine formelle Abgabe dieser Erklärung, sondern um eine Identifikation mit eben dieser Grundordnung an sich.
Bei Menschen, die in Deutschland entweder einen Schul-, einen Berufs- oder einen Studienabschluss erlangt haben, wird unterstellt, dass Betroffenen klar ist, was der Inhalt dieser Erklärung ist. Soweit keine anderen Anhaltspunkte bekannt sind, wird dann Identifikation mit diesem Bekenntnis als erfüllt angesehen.
4. Keine vorsätzlichen Straftaten
Keinen Zugang zum Chancen-Aufenthalt erhalten Menschen, die wegen vorsätzlich begangener Straftaten in Deutschland verurteilt wurden.
Dabei bleiben Geldstrafen mit bis zu 50 Tagessätzen bzw. 90 Tagessätzen, wenn es sich um Straftaten nach dem AsylG bzw. AufenthG begangen wurden und nur von AusländerInnen begangen werden können, unberücksichtigt. Gleiches gilt auch für Verurteilungen nach dem Jugendstrafrecht, die nicht auf Jugendstrafe lauten (§ 104c Abs. 1 Satz 1 Nr. 2).
5. Verzicht auf Regelerteilungsvoraussetzungen
Die Besonderheit bei der Aufenthaltserlaubnis nach § 104c ist, dass langjährig Geduldeten eine Möglichkeit zum Erhalt einer Aufenthaltserlaubnis bekommen sollen, um damit bessere Chancen zu bekommen, dann die Voraussetzungen zu erfüllen, die später für die Erteilung der Erlaubnisse nach § 25a oder b erforderlich sind.
Der Zeitraum von 18 Monaten soll gerade dazu dienen, Zeit und Möglichkeit zu haben, die wesentlichen Voraussetzungen zu erfüllen.
Aus diesem Grund wird für die Erteilung der Chancen-Aufenthalts-Erlaubnis ausdrücklich auf die Passpflicht, die Identitätsklärung und die Lebensunterhaltssicherung verzichtet. (Verzicht auf § 5 Abs. 1 Nr. 1, 1a und 4) Ebenso wird nicht die Einreise mit dem erforderlichen Visum vorausgesetzt. (Verzicht auf § 5 Abs. 2). (§ 104c Abs. 1)
6. Keine Versagungsgründe
Das Gesetz benennt mehrere Gründe, bei denen der Chancen-Aufenthalt versagt werden muss.
Die Aufenthaltserlaubnis nach Satz 1 soll versagt werden, wenn der Ausländer wiederholt vorsätzlich falsche Angaben gemacht oder über seine Identität oder Staatsangehörigkeit getäuscht hat und dadurch seine Abschiebung verhindert. Für die Anwendung des Satzes 1 sind auch die in § 60b Absatz 5 Satz 1 genannten Zeiten anzurechnen.
(§ 104 c Abs. 1 Satz 2)
Hier handelt es sich um sog. „gebundenes Ermessen“ („soll versagt werden“), also einer Ausübung des Ermessens, das in solchen Fällen regelmäßig zu Lasten der Betroffenen ausgelegt wird.
Gründe für Versagung
Benannt sind im Gesetz zwei Gruppen von Gründen, die zur Versagung der Aufenthaltserlaubnis führen. Bei beiden ist jeweils ein aktives und persönliches Handeln der Betroffenen erforderlich, damit dies als Versagungsgrund gilt:
A) wiederholte vorsätzlich falsche Angaben
Wichtig sind in diesem Zusammenhang die Worte „wiederholt“ und „vorsätzlich“. Und natürlich kommt es hierbei auch auf die Intensität an. In den Anwendungshinweisen des Bundesministerium des Innern (BMI) finden sich hierzu entsprechende Ausführungen:
Der Ausschlussgrund kann nur in Fällen einer besonderen Intensität und Dauerhaftigkeit der Täuschung in Betracht kommen. Regelmäßig keine Täuschung ist beispielsweise die Verwendung zulässiger Varianten von Transliterationen (Anmerkung Berlin hilft: Gemeint sind Schreibweisen). Herkunftsstaaten transliterieren Namen aus anderen Schriftarten unterschiedlich und häufig auch innerhalb der eigenen Verwaltung uneinheitlich, und es ist einem Ausländer aus einem Staat, der standardmäßig keine lateinische Schrift verwendet, oftmals nicht bekannt, welche Variante des Namens in lateinischer Schrift sein Herkunftsstaat in einem bestimmten Zusammenhang verwendet. (Anwendungshinweise BMI 23.12.2022)
Anwendungshinweise BM! 23.12.2022
Bloßes Schweigen ist keine Täuschung. Ebenso liegt keine Täuschung vor, wenn ein Ausländer lediglich über eine Registrierung mit falschen Daten, die nicht von ihm selbst stammen, unterrichtet wird und sich hierzu verschweigt.
Die bloße Nicht-Mitwirkung – also das Unterlassen zumutbarer Handlungen zur Passbeschaffung und fehlende Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen – ist hingegen unschädlich.
Wiederholt bedeutet in diesem Kontext, dass man mehrfach falsche Angaben verwendet oder auch mehrfach gegenüber unterschiedlichen Behörden mit den gleichen falschen Angaben gegenüber auftrat. Wie gesagt: Einfache Unterschiede in der Schreibweise etc. Gelten dabei nicht als falsche Angaben.
Wichtig: Anwendungshinweise des BMI sind dabei nicht verbindlich für die jeweiligen Bundesländer.
B) Täuschung über Identität oder Staatsangehörigkeit
Dazu führt das BMI aus:
Eine Täuschung über die Staatsangehörigkeit liegt vor, wenn der Ausländer selbst und bewusst
– eine andere Staatsangehörigkeit angibt, als er tatsächlich besitzt,
Anwendungshinweise BMI 23.12.2022
– trotz der Frage nach allen Staatsangehörigkeiten eine Staatsangehörigkeit verschweigt oder
– unrichtig angibt, keine Staatsangehörigkeit zu besitzen.
Hierzu muss man dann noch weiter unterscheiden:
Falsche Staatsangehörigkeit angeben: Immer bewusste Täuschung
Weitere Staatsangehörigkeit verschwiegen: Betroffenen muss 1. bewusst sein, dass sie mehrere Staatsangehörigkeiten auch angeben mussten und 2. dass sie eine weitere Staatsangehörigkeit überhaupt besitzen.
Bei angegebener Staatenlosigkeit: Der Einzelfall entscheidet, insbesondere, ob Betroffene von einer Staatsangehörigkeit überhaupt wußten und von ihr Gebrauch machten.
Bei beiden Fallgruppen gilt:
Wichtig dabei: Ein solcher Grund muss wesentlich ursächlich für die Verhinderung der Ausreise bzw. Abschiebung. Gibt es neben einem dieser beiden Gründe weitere, die dazu führen, dass eine Ausreise/Abschiebung nicht möglich ist, dann würde auch dies nicht dazu führen, dass der Chancen-Aufenthalt nicht anwendbar wäre. Besteht also beispielsweise eine Reiseunfähigkeit oder gibt es keine Flugverbindungen, würden diese ohnehin bestehenden Abschiebungshindernisse dazu führen, dass es auf falsche Angaben oder Täuschung nicht mehr ankommt.
Grundsätzlich muss es dabei wie dargestellt um eigene und aktive Handlungen handeln. Ausgenommen sind deshalb grundsätzlich Minderjährige oder auch solche Handlungen, die entweder von Eltern oder Vormündern/Betreuern erfolgt sind. Hingegen wird man Vorträge von jeweils selbst beauftragten RechtsanwältInnen den Betroffenen auch zurechnen.
Daneben ist bei jungen Erwachsenen zwischen 18 und 27 Jahren ein großzügiger Maßstab zur Beurteilung anzulegen. (VAB Berlin)
Im übrigen sollen diese Ausschlussgründe eben auch nicht die im Gesetz gerade angelegte Möglichkeit zunichte machen, die Identität während der 18-monatigen Gültigkeit der Chancen-Aufenthaltserlaubnis zu klären. Dies ist ja gerade der Sinn des Gesetzes.
Hierzu noch einmal das BMI:
Sofern während dieser Gültigkeitsdauer die Identität geklärt wird und sich dabei ergibt, dass der Ausländer zuvor getäuscht hat, führt diese Erkenntnis nicht zu einem Erlöschen des Chancen-Aufenthaltstitels. Es entspricht der Intention des Gesetzes, dass sich die „Ehrlichmachung“ für ihn nicht nachteilig auswirken soll. Mit der nunmehr geklärten Identität ist im Übrigen auch die Voraussetzung des § 5 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1a AufenthG für den Anschlusstitel erfüllt.
Anwendungshinweise BMI 23.12.2022
Chancen-Aufenthalt für Familienangehörige
Auch Familienangehörige können den Chancen-Aufenthalt erhalten. Wesentliche erste Voraussetzung ist dabei, dass diese Familienangehörigen in häuslicher Gemeinschaft leben müssen.
Ist dies der Fall, kann ein Chancen-Aufenthalt an Familienangehörige auch dann erteilt werden, wenn diese Angehörigen selbst noch nicht seit mindestens 5 Jahren zum Stichtag 31.10.2022 in Deutschland waren.
Diese Familienmitglieder müssen jedoch selbst auch alle anderen Voraussetzungen erfüllen.
Mit eingeschlossen sind auch Kinder, die inzwischen volljährig sind, jedoch zum Zeitpunkt der Einreise nach Deutschland noch minderjährig waren. Sie müssen jedoch weiterhin im Haushalt des sog. Stammberechtigten leben.
Aufenthaltserlaubnis nach 18 Monaten
Grundsätzlich ist gesetzessystematisch vorgesehen, eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a oder § 25b am Ende der 18 Monate, die die Aufenthaltserlaubnis nach § 104c maximal läuft, zu erteilen. (§ 104c Abs 3)
Sind die Voraussetzungen nach § 25a oder § 25b bereits während dieser max. 18 Monate schon erfüllt, kann dies natürlich auch schon früher beantragt und erteilt werden.
Wird noch während der Laufzeit der Aufenthaltserlaubnis nach § 104c ein Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a oder b gestellt und läuft die Aufenthaltserlaubnis nach § 104c danach ab, gilt hier die Fiktionswirkung nach § 81 Abs. 4. Die Rechte aus der Aufenthaltserlaubnis nach § 104c bleiben also dann auch nach deren Ablauf weiter bestehen.
Andere Aufenthaltserlaubnis als § 25a / 25b?
Grundsätzlich möglich ist auch, eine andere Aufenthaltserlaubnis aus dem Besitz des Chancen-Aufenthaltes heraus zu beantragen. Zu beachten ist hier jedoch, dass dann ein solcher Antrag keine Fiktionswirkung nach § 81 Abs 4 entfaltet und ggfls. eine Aufenthaltserlaubnis nach § 104c erlischt, bevor eine andere Aufenthaltserlaubnis erteilt wurde und dann ggfls. wieder eine Duldung ausgestellt werden müßte.
Erfüllt man hingegen neben den Voraussetzungen für eine andere Aufenthaltserlaubnis bei Beantragung auch die Voraussetzungen einer Erlaubnis nach § 25a oder b, kann für eine denklogische Sekunde diese Erlaubnis nach § 25a oder b erteilt und dann die Erlaubnis nach dem anderen Aufenthaltszweck ausgestellt werden.
Sind nach Ablauf der 18 Monate keine Anträge gestellt worden, weil die Voraussetzungen nicht erfüllt werden können, fallen die Betroffenen wieder in die vollziehbare Ausreisepflicht. Sofern möglich, müßte dann erneut eine Duldung beantragt werden, wenn es hierfür entsprechende Gründe gibt.
Hinweispflichten der Ausländerbehörde
Wichtig ist, dass das Gesetz den Ausländerbehörden Hinweispflichten auferlegt:
„1Der Ausländer ist spätestens bei der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis auf die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25b und, falls er das 27. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, nach § 25a hinzuweisen.
§ 104c Abs. 4 AufenthG
2Dabei soll die Ausländerbehörde auch konkrete Handlungspflichten, die in zumutbarer Weise zu erfüllen sind, bezeichnen.“
Während die allgemeine Hinweispflicht nach Satz 1 auch ebenso allgemein erfüllt werden kann, sind die Hinweispflichten nach Satz 2 hingegen individuell und speziell.
Hier muss die Ausländerbehörde gerade bezogen auf die Pflichten zur Passbeschaffung konkrete tatsächlich mögliche Schritte benennen, die im jeweiligen Einzelfall und auch bezogen auf das jeweilige Herkunftsland umsetzbar und möglich sind.
In der Gesetzesbegründung heißt es hierzu:
Zu Absatz 4
Die Ausländerbehörde soll den Ausländer, etwa durch ein verständliches Merkblatt, darauf hinweisen, dass ein weiterer erlaubter Aufenthalt von der Erfüllung bestimmter weiterer Voraussetzungen abhängen wird. Damit soll er motiviert werden, die Chance, die ihm durch die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach § 104c AufenthG-E eingeräumt wird, auch zu nutzen. Es sind somit die Voraussetzungen des § 25b AufenthG oder, sofern wegen des Alters des Ausländers § 25a AufenthG einschlägig sein kann, des § 25a AufenthG zu erläutern. Hierzu gehören insbesondere die Anforderungen an die Klärung der Identität nach § 25a Absatz 6 beziehungsweise § 25b Absatz 8. Insbesondere auch hierzu soll die Ausländerbehörde konkrete Handlungspflichten, die in zumutbarer Weise zu erfüllen sind, bezeichnen.
Gesetzesbegründung zum Chancen-Aufenthaltsgesetz
Das LEA Berlin sagt hierzu:
Zu § 104c Abs. 4 S. 2 bedarf es vor dem Hintergrund der Komplexität der Hilfestellung des Bundes. Entsprechend wird das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge über das Bundesministerium des Innern gebeten, bundeseinheitliche mehrsprachige Hinweisblätter zu erstellen.
LEA Berlin VAB zu § 104c
Nach unserer Auffassung reichen bundesweit gültige Hinweisblätter nicht aus. Hier könnten insbesondere zur Passbeschaffung zwar je nach Herkunftsland die grundsätzlichen Schritte dargestellt werden, jedoch nicht die im jeweiligen Einzelfall notwendigen, die von den grundsätzlichen ja abweichen können.
Die Hinweisblätter des Bundesministerium des Innern (BMI) sagen dazu:
Es ist Ihre Aufgabe und nicht die Aufgabe deutscher Behörden, herauszufinden, wie Sie einen Pass oder Passersatz von Ihrem Herkunftsstaat erhalten. Es ist auch Ihre Aufgabe, die erforderlichen Dokumente und Lichtbilder auf eigene Kosten zu beschaffen und die Ausstellung des Passes oder Passersatzes zu beantragen. Wenn Sie nachweisen können, dass Sie unzumutbare Schwierigkeiten haben, einen Pass zu erhalten, kann unter einigen weiteren Voraussetzungen die Möglichkeit bestehen, dass Sie mit anderen Dokumenten Ihres Herkunftsstaats Ihre Identität und Staatsangehörigkeit klären. Wenden Sie sich bitte zur Besprechung der notwendigen Schritte an Ihren Ansprechpartner in der Ausländerbehörde.
Hinweisblatt BMI für AntragstellerInnen
Hier besteht in jedem Fall noch grundsätzlicher Klärungsbedarf zum Verfahren. Allerdings scheint nicht erwartbar, dass dies zeitnah geschieht.
Insofern gilt hier unser „alter“ und genereller Rat, alle Bemühungen zur Passbeschaffung zu dokumentieren. Hierzu zählen natürlich Terminbuchungen bei Botschaften oder Botschaftsbesuche, aber auch z.B. schriftliche Anträge, Emails, Kontaktaufnahmen im Heimatland, Recherchen zur Passbeschaffung etc.
Antragstellung
Anträge auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach dem Chancen-Aufenthaltsrecht können grundsätzlich formlos gestellt werden.
In Berlin beim LEA können (und sollen) ONLINE gestellt werden. Das LEA Berlin weist ausdrücklich darauf hin, dass schriftliche Anträge und solche per email nachrangig bearbeitet werden
sollen.
Weiterführende Hinweise auf der Website des LEA Berlin zur Antragstellung sind an dieser Stelle zu finden.
Zu den Änderungen und neuen Voraussetzungen für Aufenthaltserlaubnisse nach § 25a und § 25b folgen in Kürze gesonderte Beiträge.
Wir haben eine kurze Checkliste zur Beratung erarbeitet, die nachfolgend auch zum download verlinkt ist.
Bitte hierzu, aber auch allen anderen Ausführungen: Gerne Anmerkungen, Hinweise oder Ergänzungen an: christian.lueder@berlin-hilft.com
Quellen und weiteres Material
Gesetz (Entwurf mit Begründung Stand 28.09.2022)
Änderungen und Beschlüsse Innenausschuss vom 30.11.2022