Botschaft Afghanistan-Kabul
Anfrage (10.06.17):
Die Botschaft in Kaubul ist z. Zt. geschlossen. Bei welcher Botschaft
können nun Bewohner Kabuls Visaanträge für Aufenthaltstitel für den
Familiennachzug zu anerkannten Flüchtlingen nach Deutschland stellen?
Antwort(13.06.17):
(AUSWÄRTIGES AMT - Bürgerservice)
Derzeit ist die Beantragung von deutschen Einreisevisa für Bewohner Kabuls
leider nicht möglich.
Sowohl die Botschaft Kabul als auch das Generalkonsulat Masar-e-Sharif sind
nach den schweren Anschlägen vorerst nicht mehr nutzbar.
Aufgrund der hohen Antragszahlen in Afghanistan ist es derzeit leider auch
noch nicht möglich, andere deutsche Auslandsvertretungen in der Region mit
der Durchführung von Visumverfahren für nachzugsberechtigte afghanische
Staatsangehörige zusätzlich zu ermächtigen, da diese schon mit originären
Aufgaben seit länger Zeit ihre sachlichen wie auch personellen
Kapazitätsgrenzen erreicht haben.
Sobald die Voraussetzungen geschaffen sind, werden entsprechende
Informationen u.a. auf der Internetseite der Botschaft Kabul veröffentlicht
werden.
Gern können Sie zu gegebener Zeit auch bei uns erneut anfragen. 13.6.2017
Informationen zum Identitätsdokument (Taskira) in Afghanistan
Die Taskira
ist das übliche Identitätsdokument in Afghanistan.
Hier: Passbeantragung in Deutschland
Details:
Siehe die folgende Info an das Auswärtige Amt vom 22.10.2018
Stellungnahme zur Beschaffung einer neuen oder verlorenen afghanischen TAZKIRA vom Ausland aus
Die Tazkira dient afghanischen Staatsangehörigen häufig als Ersatz für eine
Geburtsurkunde und Identitätsnachweis. Zudem stellt sie einen Nachweis des
Familienstammbaumes dar. Die Tazkira beinhaltet Informationen über den Wohn- und
Geburtsort bzw. den Ort, aus welchem der Vater stammt, den Beruf und einen
möglichen Militärdienst sowie Angaben zu Familienangehörigen.
Es handelt sich dabei nicht um einen Ausweis in Form einer Karte oder ein heftartiges
Dokument wie einen Pass, vielmehr ist die Tazkira zumeist ein loses Blatt dünnen
Papiers mit angetackerten Fotos und Stempeln. Die Angaben sind zumeist von Hand
eingetragen.
Ohne eine Tazkira ist es nicht möglich, bei den afghanischen Auslandsvertretungen in
Deutschland einen Pass zu erhalten. Obwohl Tazkiras von Behörden und Gerichten
als unzuverlässige Informationsquelle angesehen werden, wird deren Beschaffung
verlangt, vgl. OVG Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 29.09.2014, Az. 12 B 923/14:
„Nach den Informationen des Auswärtigen Amtes kursieren in Afghanistan echte
Dokumente unwahren Inhalts in erheblichen Umfang. Pässe und
Personenstandsurkunden werden von afghanischen Behörden ohne adäquaten
Nachweis ausgestellt. Die Ursachen hierfür liegen in einem nach Jahrzehnten des
bewaffneten Konflikts lückenhaften Registerwesen, mangelnder administrativer
Qualifikation und weitverbreiteter Korruption. Unter diesen Bedingungen gibt es kaum
Bedarf an gefälschten Dokumenten, wobei hinzukommt, dass Tazkiras sehr einfach
gefälscht werden können",
vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der
Islamischen Republik Afghanistan, 31. März 2014, S. 22.
1. Eine Tazkira in Deutschland erhalten
Es ist nicht möglich, eine Tazkira im Ausland ausgestellt zu bekommen. Afghanische
Auslandsvertretungen sind, auch nach Auskunft des Auswärtigen Amtes, nicht befugt,
Tazkiras auszustellen.
2. Eine Tazkira in Afghanistan persönlich besorgen
Eine Tazkira muss beim Amt für Meldewesen (Population Registration Department
oder Passport Department oder Passport Office) beantragt werden, dieses untersteht
dem Innenministerium. Dieses Amt hat Büros auf Provinz und Distriktebene.
Für die Ausstellung sind die Behörden am letzten gewöhnlichen Aufenthaltsort auf
Distriktebene zuständig. Bei im Ausland geborenen afghanischen Staatsangehörigen
richtet sich die Zuständigkeit nach dem letzten gewöhnlichen Aufenthaltsort des Vaters
bzw. Großvaters.
Dort werden die Daten der antragstellenden Person in das „Ketab Assas“ eingetragen,
ebenso in Datenbanken oder –bücher in den jeweiligen Provinzhauptstädten und in
Kabul (Registration of Population Records and National Identity Card – Datensatz, dort
werden Fotografien bereits ausgestellter Tazkiras dokumentiert).
Der Antrag muss schriftlich gestellt werden. Ab dem 7. Lebensjahr von jeder Person,
zuvor ist eine Eintragung bei den Eltern möglich. Dem Antrag sind mehrere Passfotos
und die Tazkiras zweier männlicher Verwandter (etwa Vater, Bruder, Onkel, Cousin)
beizulegen, teilweise genügt die Vorlage der Tazkira nur eines Verwandten.
Sollten keine zwei Tazkiras Verwandter vorgelegt werden können, wird ein
Distriktvertreter (Malik) oder eine andere honorige Person der Heimatgemeinde (z. B.
der Bürgermeister oder Mullah) kontaktiert, um die Abstammung und Identität der
antragstellenden Person zu bestätigen. Die Bestätigung wird durch Unterschrift und
Stempel bestätigt.
Die Tazkira ist persönlich abzuholen.
Eine Beantragung in Kabul, wenn dies nicht die Herkunftsprovinz ist, gestaltet sich
schwierig, wenn es sich um eine erste Beantragung handelt und in Kabul keine Daten
zur antragstellenden Person vorliegen. Bei der Beantragung beim Amt für Meldewesen
in Kabul, ist zunächst eine Geburtsurkunde vorzulegen. Ist eine solche nicht
vorhanden, muss die Tazkira eines männlichen Verwandten vorgelegt werden. Wird
die Identität danach für weiterhin ungeklärt erachtet, bleibt nur ein Antrag am Heimatort
der antragstellenden Person, persönlich oder durch Verwandte. In der Regel muss die
Identität der Person und des Verwandten dann durch den Dorfvorsteher (Malik)
bestätigt werden. Die Bestätigung wird dem Distriktgouverneur vorgelegt, der dann die
Tazkira ausgestellt.
Frauen benötigen zur Beantragung der Begleitung eines männlichen Verwandten.
Haben Frauen keine männlichen Verwandten oder wollen diese nicht, dass die Frau
eine Tazkira erhält, kann die Betroffene keine Tazkira erhalten.
3. Eine Tazkira in Afghanistan von einem Vertreter besorgen lassen
Es ist äußerst strittig, ob eine Tazkira ohne ein persönliches Erscheinen der
antragstellenden Person in Afghanistan offiziell möglich ist.
So geht die schweizerische Flüchtlingshilfe in einer Stellungnahme vom 11.02.2016
davon aus, dass das afghanische Gesetz eine Vertretung nicht zulasse. Auch der
kanadische Immigrations- und Flüchtlingsausschuss kommt zu dem Ergebnis, dass
eine Tazkira nur persönlich beantragt werden kann.
Gerade in den Provinzen sei die Umgehung des Gesetzes jedoch möglich, wenn man
gute Beziehungen zum Amt für Meldewesen habe und zumeist zudem
Bestechungsgelder zahle.
Nach der beiliegenden Stellungnahme des afghanischen Generalkonsulates scheint
eine Beantragung vom Ausland aus über Verwandte auch halb-offiziell möglich.
a) Vertrauensanwälte
Bereits die Kontaktaufnahme zu Vertrauensanwälten gestaltet sich schwierig. Die
deutsche Botschaft in Kabul benennt drei Kanzleien und Wirtschaftsberater.
Die einzige Kanzlei, welche auf unsere Anfragen bislang geantwortet hat, ist Motley
Legal. Die in Kabul seit Jahren tätige Kanzlei hat ein Informationsschreiben verfasst,
welches dieser Stellungnahme beiliegt.
Nach Auskunft der Kanzlei Motley ist es nicht möglich, über einen Vertrauensanwalt
eine Tazkira zu beantragen oder ausgestellt zu bekommen. Es sei nach dem Wissen
der Anwälte überhaupt nicht möglich, ohne persönliche Vorsprache in Afghanistan
eine Tazkira zu erhalten.
Dies deckt sich auch mit den Erfahrungen deutscher Anwältinnen und Anwälte, die
selbst oder deren Mandanten bereits andere afghanische Anwälte beauftragt haben.
Trotz der Zahlungen erheblicher Geldsummen konnte keine einzige Tazkira über einen
Vertrauensanwalt besorgt werden.
Die ebenfalls benannte Kanzlei Kawun Kakar verlangt einen Vorschuss von 1.500,- €
für die Beschaffung einer Tazkira, zudem muss eine Vollmacht übersandt werden.
b) Verwandte
Hat eine in Deutschland lebende Person noch Verwandte in Afghanistan oder solche,
die dorthin reisen können, lässt sich in Einzelfällen eine Tazkira besorgen. Dies ist
nach afghanischem Recht nach herrschender Meinung zwar unzulässig, praktisch
zumindest jedoch möglich.
Sprechen Verwandte am letzten Aufenthaltsort der sich nun in Deutschland
befindlichen Person vor, oder an dem Ort, an welchem sich dessen Eltern zuletzt
aufhielten, kann es unter Umständen sein, dass die Gemeinde- oder Distriktvorsteher,
eine Tazkira ausstellen. In diesen Fällen sind die Verwandten mit einer
entsprechenden Vollmacht und Passfotos der antragstellenden Person auszustatten.
Zudem sind alle Unterlagen, Fotos, Zeugen und Hinweise hilfreich, die die Herkunft
der antragstellenden Person belegen können.
In einem Fall reiste ein Onkel aus Pakistan nach Afghanistan in den Herkunftsort der
Eltern des außerhalb von Afghanistan geborenen Antragstellers. Der sich in
Deutschland befindliche Antragsteller wurde sodann vom Bürgermeister des
Herkunftsortes seiner Eltern per Skype befragt. Nachdem sich der Bürgermeister von
der Identität des Antragstellers überzeugt hatte, wurde eine Tazkira ausgestellt. Diese
versandte der Onkel von Pakistan aus nach Deutschland.
Nach Auskunft des afghanischen Generalkonsulates in München ist die Beantragung
einer Tazkira durch Verwandte möglich. Die Kosten einer Beglaubigung durch das
afghanische Ministerium belaufen sich in diesen Fällen auf etwa 500,- € (Kauf der
Beglaubigung), die Beantragung dauert etwa sechs Wochen.
In den Fällen, in denen die Verwandten in Kabul vorsprechen können, ist sogar eine
Antragstellung beim Generalkonsulat möglich. Zum Verfahren beachten Sie bitte die
beiliegende Stellungnahme des afghanischen Generalkonsulats in München.
4. Verlorene Tazkiras
Wer bereits eine Tazkira besessen hat, die jedoch verloren ging, muss den gleichen
Aufwand betreiben wie bei einer Neubeschaffung.
Duplikate werden nur erstellt, wenn der Verlust durch zwei Personen aus derselben
Gegend bestätigt wird oder dieser durch die Massenmedien wie Radio und Fernsehen
bestätigt werden kann. Die Ausstellung eines Duplikats ist zudem nur möglich, wenn
die Tazkira zuvor in der Datenbank des Innenministeriums – Registration of Population
Records and National Identity Card – erfasst wurde. Ein entsprechender Antrag auf
ein Duplikat muss persönlich oder durch einen männlichen Verwandten mit Vollmacht
gestellt werden.
Häufig dürfte der Aufwand dem einer Neubesorgung entsprechen.
5. Zusammenfassung
Eine Tazkira vom Ausland aus zu besorgen scheint nur möglich, wenn es vor Ort noch
Verwandte gibt, die über gute Kontakte, möglichst am Herkunftsort der betroffenen
Person, verfügen.
Leben keine Verwandten mehr in Afghanistan oder sind im Ausland lebende
Verwandte nicht bereit nach Afghanistan zu reisen, ist der Erhalt einer Tazkira
unmöglich. Die Beschaffung einer Tazkira und damit eines Passes, dürften in diesen
Fällen nicht zumutbar sein.
Quellen
ACCORD (Austrian Center of Country of Origin & Asylum Research and
Documentation)
- Anfragebeantwortung zu Afghanistan, 07.12.2016
Schweizerische Flüchtlingshilfe
- Afghanistan: Tazkira, 12.03.2013
- Schnellrechereche Afghanistan: Antrag und Ausstellung einer Tazkira im
Ausland, 11.02.2016
Immigration and Refugee Board of Canada
- The issuance of Tazkira certificates; whether individuals can obtain Tazkiras
while abroad, 16.12.2011
- Afghanistan: Requirements and procedures to obtain, renew and replace a
biometric passport […], 20.02.2017
Hinweis
Diese Stellungnahme dient zum Informationsaustausch zwischen Anwältinnen, Anwälten und
ehrenamtlich Helfenden. Die darin enthaltenen Informationen wurden nach bestem Wissen und
Gewissen zusammengetragen, Anlagen kann ich gerne gesondert zumailen. Für eine
Weiterentwicklung, weitere Hinweise oder Erfahrungsberichte können Sie sich gerne an mich wenden.
maria.kalin@haubner-schank.de
Stand 08. Mai 2017
Maria Kalin
(Rechtsanwältin, Passau)
Anlagen:
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