LAG Freie Wohlfahrtspflege, Grupenstr. 4, 30159 Hannover, Fon: 0177/6997053

Netz: www.landesarmutskonferenz-niedersachsen.de Mail: fabian.steenken@landesarmutskonferenz-nds.de

Pressemitteilung

Landesarmutskonferenz kritisiert diskriminierende Bezahlkarte für Schutzsuchende

Hannover,13.12. 2024– Die Landesarmutskonferenz Niedersachsen kritisiert die geplante Einführung

einer diskriminierenden Bezahlkarte für Asylsuchende scharf.

Fabian Steenken, LAK-Geschäftsführer, betont: „Die geplante Bezahlkarte missachtet

grundlegende Prinzipien der Menschenwürde und sozialen Gerechtigkeit. Sie begrenzt die

Bargeldauszahlung auf 50 Euro pro Person im Monat und reduziert die ohnehin geringen Leistungen

faktisch weiter, da viele Waren und Dienstleistungen nicht mit Karte bezahlt werden können. “

Zusätzlich erschwere ein aufwendiges Antragsverfahren den Zugang zu dringend benötigtem

Bargeld. „Diese Regelun gen führen zu Armut und sozialer Isolation, statt Integration und Teilhabe

zu fördern “, erklärt die Landesarmutskonferenz.

Besonders kritisch: Die gewährten Leistungen liegen ohnehin schon in den ersten 36 Monaten

etwa 20 Prozent unter dem Niveau des Bürgergeldes – ein klarer Verstoß gegen das

verfassungsrechtlich garantierte Existenzminimum. Mit der geplanten Bezahlkarte entfernt sich die

Landesregierung weiter von ihrem im Koalitionsvertrag erklärten Ziel, Rassismus zu bekämpfen

und allen Geflüchteten ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. Die Landesarmutskonferenz

sieht die Einführung der Bezahlkarte als einen Rückschritt in der Armutsbekämpfung und ein fatales

Signal an alle, die sich für soziale Gerechtigkeit einsetzen.

Solidarische Initiativen als Antwort: In ganz Niedersachsen entstehen derzeit Initiativen, die

den Zugang zu Bargeld durch den Umtausch von Bezahlkarten erleichtern. Diese Initiativen sind

eine Reaktion von Bürger*innen auf eine verfehlte Politik.

Forderungen an die Landesregierung: Die Landesarmutskonferenz appelliert eindringlich an

die Landesregierung, ihre im Koalitionsvertrag gegebenen Zusagen einzuhalten und entschieden

Maßnahmen gegen Armut und Diskriminierung zu ergreifen. Sie fordert im Besonderen die

Einführung einer „Social Card“ als gerechte Alternative zur geplanten diskriminierenden

Bezahlkarte.

Infos:

Die Landesarmutskonferenz LAK Niedersachsen wurde 1995 gegründet. Sie ist ein

Zusammenschluss von Verbänden, Gewerkschaften und Initiativen.

Mit der Bitte um Berichterstattung und freundlichen Grüßen

Fabian Steenken – LAK-Geschäftsführer

Kontakt: 0177 699 70 53

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Hier mehr zu Bezahlkarten bei Geflüchteten
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a. Kartentausch ist keine Straftat
Auf Betreiben des CSU-Bundestagsabgeordneten Peter Aumer hat die Staatsanwaltschaft den Kartentausch von Bezahlkarten geprüft. Das Ergebnis liegt nun vor: „Staatsanwaltschaft Regensburg und BaFin kommen übereinstimmend zu der Einschätzung, dass das fragliche Verhalten im Rahmen der Aktion Kartentausch keinen Straftatbestand erfüllt“

Weitere Infos in einer Mail von Claudius Vogt: https://t1p.de/xtgeb  

b. Wie Visa und Mastercard mit der Bezahlkarte Geld machen
Die Bezahlkarte für Asylbewerber*innen ist Schikane und schränkt den ohnehin schon engen Handlungsspielraum von Geflüchteten noch weiter ein. Für den Staat droht die Bezahlkarte zu einer teuren Bürokratiefalle zu werden. Die einzigen Gewinner sind Firmen wie Visa und Mastercard.
Mehr dazu: https://t1p.de/7auij

c. Geflüchtete senden seltener Geld ins Ausland als andere Migrant*innen
Neue Forschungen belegen, dass die politische Begründung für die Einführung einer „Bezahlkarte“ für Asylsuchende in Deutschland, man wolle „Auslandsüberweisungen“ und damit eine „Zweckentfremdung“ der gezahlten Sozialleistung für die Unterstützung von Angehörigen verhindern, keine empirische Basis hat.
Dazu der DIW Wochenbericht 49 / 2024,  https://t1p.de/3fdae

Kommentar dazu:
 Die Bezahlkarte wurde mit dem Argument eingeführt, man wolle verhindern, dass Geflüchtete Geld ins Ausland überweisen. 

Gerade mit der Untersuchung des DIW wird deutlich, dass es mit der Bezahlkarte nur um  Diskriminierung und Ausgrenzung von Geflüchteten geht. 

Es wird Zeit, die Bezahlkarten wieder abzuschaffen!

 

 

So läuft das nicht: Die lange Liste der Probleme mit der Bezahlkarte -- 09.10.2024 

Die Bezahlkarte für Geflüchtete verursacht Umsetzungsprobleme, sie hat massive negative Folgen für Betroffene und bedeutet absurde Mehrarbeit für die Verwaltungen. Erste Gerichtsentscheidungen verurteilen bereits die zum Teil rechtswidrige Praxis. PRO ASYL appelliert an die Länder und Kommunen, den Unsinn mit der Bezahlkarte zu stoppen.

 

Seit Monaten wird die Bezahlkarte für Geflüchtete als Baustein einer ernsthaften Flüchtlingspolitik gepriesen. Im April 2024 nahm die Bundesregierung die Bezahlkarte als eigenständige Möglichkeit für die Leistungsgewährung ins Gesetz auf. Die Vorbereitungen für eine bundesweit einheitliche Karte laufen. Das Ausschreibungsverfahren ist zwar beendet, die Vergabeprobleme hören aber damit nicht auf, wie auch netzpolitik.org beschreibt.

Derweil haben die Länder Bayern und Hamburg sowie Kommunen in Sachsen, Thüringen und anderswo längst Fakten geschaffen, Pilotprojekte gestartet und eigene Bezahlkartenverträge mit unterschiedlichen Anbietern abgeschlossen. Erklärtes Ziel der Bezahlkarten ist die Beschränkung der Möglichkeit, Bargeld abzuheben und so Überweisungen ins Ausland tätigen zu können. Dabei gibt es Unterschiede in Funktion und Handhabung der Karten.

 

Vielfältige Erfahrungen der ersten Monate zeigen, was passiert, wenn man in Deutschland lebende Menschen von einem regulären Zahlungsverkehr abzuschneiden versucht. Die Liste der Probleme ist lang.

·      Die 50 Euro-Pauschale ist rechtswidrig

·      Keine Möglichkeit der Bezahlkartenzahlung vor Ort

·      Rechtswidrige Gebühren und kein Geld für ein Konto

·      Regionale Beschränkung

·      Technische Probleme bei der Umstellung

·      Technische Fehler bei der Kartenzahlung

·      Keine Verträge (mehr), keine Abbuchungen, keine Onlinekäufe

·      Keine Rückgabe gekaufter Ware möglich

·      Lastschriften platzen

·      Ausweg »Whitelist«?

·      Verstöße gegen den Datenschutz

·      Technische Probleme bei der Freischaltung

·      Von Digitalisierung keine Spur

FAZIT: Die Bezahlkarte bedeutet nichts als Ärger, Kosten und Arbeit

Die Bezahlkarte bringt für viele Beteiligte nichts als eine Menge Ärger, Kosten und Arbeit im Alltag. Sie setzt geflüchtete Menschen vielfältigen Zumutungen aus, macht Einkäufe unmöglich oder umständlich, verursacht zusätzliche Gebühren, bringt drohende Verschuldung und nicht zuletzt Aufwand in den Behörden mit sich. Staatlich bezahlte Sozialarbeiter*innen müssen Fragen beantworten, Zahlungsprobleme lösen oder – datenschutzwidrig – private Überweisungsnummern einsammeln.

 

Zivilgesellschaftliche Initiativen in HamburgNürnbergMünchen und an immer mehr Orten verhelfen Geflüchteten durch Tausch und Bargeld zum Notwendigsten, auch der politische Widerstand der Initiativen (zum Beispiel in Leipzig) wächst. Nicht zuletzt beschäftigen sich auch die Verwaltungen mit den diskriminierenden Umständen einer Bezahlkarte. Neben kritischen Stimmen aus der Verwaltung wie z.B. im Ilmkreis haben sich Städte wie Steinfurt oder Münster zum Nutzen der Bezahlkarte kritisch geäußert. Durch die Berücksichtigung von Einzelfallbedarfen wird der kommunale Aufwand noch ansteigen, statt zu entlasten.

Die einzigen Gewinner der Bezahlkarte sind die Kartenverkäufer und die Konzerne Visa Inc. oder MasterCard Inc.

5 Mio. € prognostizierte Kosten für die Bezahlkarte in Berlin

366.000 € kostete die Ausgabe von Sozialleistungen bisher

Die einzigen Gewinner der Bezahlkarte sind die Kartenverkäufer und die Konzerne Visa Inc. oder MasterCard Inc. Die Kostenlast der Bezahlkarte – in Berlin werden Kosten von fünf Millionen Euro statt wie bisher 366.000 Euro für die Ausgabe der Sozialleistung veranschlagt – trägt der Staat.

 

Rein gar nichts bringt die Bezahlkarte dagegen für Integration und ein friedliches Zusammenleben. In einer Zeit um sich greifender politischer Polemik, von Angriffen auf Demokratie und Verfassung, wäre das Geld und die Energie, die in die Bezahlkarte fließen, wesentlich besser in Integrationspolitik und Demokratieförderung angelegt. Oder in Investitionen im Bereich Schule und Wohnen. PRO ASYL appelliert an Länder und Kommunen, den Unsinn mit der Bezahlkarte zu stoppen.

 © pro Asyl

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Das AsylbLG als Versuchslabor:

Wie rechtspopulistische Politik praktisch wird

Bezahlkarte + Asylbewerberleistungsgesetz

... Klick mich

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Die Bezahlkarte ist rechtlich nicht haltbar:

11.9.2024

Die Konferenz der Datenschutzaufsichtsbehörden der Länder und des Bundes haben einen Beschluss zur Bezahlkarte gefasst:https://www.ggua.de/fileadmin/downloads/Bezahlkarte/2024_08_19_DSK_Beschluss_Bezahlkarte.pdf . Darin setzen sie sich mit datenschutzrechtlichen Grenzen der Bezahlkarte auseinander. Sie kommen unter anderem zu folgenden Ergebnissen:

 

·         Die eigenständige Einsichtnahme in den Guthabenstand durch die Leistungsbehörde ist unzulässig. Wie wir hören, passiert dies aber wohl regelmäßig. So soll z. B. in Bayern am Ende des Monats das Restguthaben auf der Karte, das über 200 Euro pro Person hinausgeht, mit der nächsten Zahlung verrechnet werden (wegen des „Vermögensfreibetrags“ von 200 Euro). Dies ist datenschutzrechtlich demnach nicht zulässig.

·         Die Beschränkung auf bestimmte Postleitzahlengebiete aufgrund einer räumlichen Beschränkung ist unzulässig. Denn damit würde diese räumliche Beschränkung auf der Karte gespeichert und wäre für die Leistungsbehörde und die Kartenfirma einsehbar. Diese aufenthaltsrechtliche Auflage geht die Kartenfirma oder die Leistungsbehörde jedoch erst einmal nichts an, da sie nichts mit der Frage des Leistungsanspruchs an sich zu tun hat.

·         Die AZR-Nummer darf nicht mit der Bezahlkarte verknüpft werden. Denn das AZR-Gesetz und die Durchführungsverordnung lassen die Weitergabe der Nummer an eine Privatfirma nicht zu.

·         Sicherheitsbehörden dürfen an sich keinen Zugriff auf die auf der Karte gespeicherten Daten haben. Dies wäre nur im Rahmen der entsprechenden Sicherheitsgesetze zulässig.

 

Die Datenschutzbehörden stellen fest, dass für all diese Dinge eine ausdrückliche Rechtsgrundlage erforderlich wäre. Da es die aber nicht gibt, sind sie unzulässig.

 

In dem Papier haben sich die Datenschützer*innen nicht mit der Frage auseinandergesetzt, wie es mit dem Datenschutz bei den so genannten „Whitelists“ aussieht. Hier kann man ja beantragen, dass bestimmte Überweisungen an bestimmte Empfänger*innen freigeschaltet werden. Dafür müssen jedoch gegenüber der Behörde sämtliche Daten der Empfängerin offengelegt (Name, Ort, IBAN) und auch der Grund der Zahlung angegeben werden. Dies ist datenschutzrechtlich wohl kaum zulässig.

© Gemeinnützige Gesellschaft zur Unterstützung Asylsuchender e. V. (www.ggua.de)

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Flüchtlingsrat: Gleichberechtigte Teilhabe statt diskriminierender Bezahlkarte

Am Mittwoch hat der Innenausschuss über ein sogenanntes Omnibusverfahren Änderungen am Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) und damit der bundesrechtlichen Absicherung zur Einführung einer Bezahlkarte für Asylsuchende zugestimmt. Mit dieser Karte sollen Asylsuchende künftig ihren monatlichen persönlichen Bedarf decken. Nach Aussagen der Bundesregierung sollen die Kommunen dadurch „von Bürokratie entlastet“ werden. Offenkundig geht es bei der Bezahlkarte aber nicht um Bürokratieabbau, sondern um Diskriminierung – leider auch in Niedersachsen:

Mit Unverständnis reagiert der Flüchtlingsrat Niedersachsen auf die Pläne der Landesregierung, im Rahmen der Einführung einer Bezahlkarte Bargeldzahlungen an Geflüchtete zu beschränken und ihnen Überweisungen zu verbieten. Der Flüchtlingsrat fordert die Landesregierung auf, die Bezahlkarte nicht als Instrument zur Diskriminierung von Geflüchteten einzusetzen, und erinnert die rot-grüne Koalition an ihr Versprechen aus dem Koalitionsvertrag, Diskriminierungen zu beseitigen.

Konkret fordert der Flüchtlingsrat Niedersachsen, dass die Landesregierung sich ein Beispiel an der „Socialcard“ in der Landeshauptstadt Hannover nimmt und die Bezahlkarte diskriminierungsfrei ausgestaltet. Darüber hinaus fordert der Flüchtlingsrat, dass das Land Niedersachsen anderen Bundesländern (wie z.B. Schleswig-Holstein) folgt und auch für Geflüchtete landesweit eine Gesundheitskarte einführt. Es mutet absurd an, wenn einerseits die Leistungen zum Lebensunterhalt ausschließlich digital erbracht werden, während andererseits für Besuche bei Ärzt:innen weiterhin ein Papierkrankenschein erforderlich ist, der beim Sozialamt abgeholt werden muss. Dies ist auch vor dem Hintergrund geboten, dass die Einführung der Bezahlkarte den bürokratischen Aufwand der Sozialämter verringern soll.

Leider gehen die aktuellen Planungen jedoch in eine andere Richtung: Da die hannoversche Socialcard auch Überweisungen zulässt, könne sie, so heißt es jetzt aus dem Innenministerium, nach der niedersachsenweiten Einführung der Bezahlkarte keinen Bestand mehr haben. Mit der Bezahlkarte sollen weder Inlands- noch Auslandsüberweisungen möglich sein. (Debit-Karte ohne Überweisungsmöglichkeit). Eine Gesundheitskarte, deren Einführung die Landesregierung laut Koalitionsvertrag eigentlich prüfen wollte, sei dagegen nicht in Planung.

Ein Bankkonto können sich alle Asylsuchenden zwar auch weiterhin selbst zulegen, aber die Sozialleistung wird nach den aktuellen Planungen der Landesregierung für Grundleistungsempfänger:innen (immer und ausschließlich) auf die Bezahlkarte überwiesen. Von den Leistungen kann nur ein eingeschränkter Betrag in bar abgehoben werden. Der verfügbare Barbetrag soll in den Erstaufnahmeeeinrichtungen (EAEs) und in den Kommunen gleich hoch sein. Da in der Erstaufnahmeeinrichtung viele Leistungen als Sachleistungen erbracht werden, soll der über die Karte bereitgestellte Betrag für unbare Leistungen dort dann geringer sein.

Der Ausschluss jeglicher Überweisungsmöglichkeit läuft auf eine erhebliche Behinderung, wenn nicht Verhinderung einer Rechtsvertretung hinaus: Anwaltskanzleien müssten sich nicht nur ein Lesegerät anschaffen, sondern auch z.B. bei Ratenzahlungen ihre Mandant:innen monatlich persönlich empfangen, um die Bezahlkarte einzulesen und den Ratenbetrag abzubuchen. Anwaltskanzleien, die oft mehrere hundert Mandant:innen haben, werden dies nicht leisten können. Für die Betroffenen bedeutet dies zusätzliche Kosten für Reisen, eine anwaltliche Vertretung könnte nur noch regional gesucht werden. Dies ist schon im Asylverfahren kaum zu realisieren, da erfahrene Asylanwält:innen in bestimmten Regionen einfach nicht zu finden sind. Gleiches gilt für Anwält:innen im Sozialrecht.

Wenn es bei den bisherigen Planungen bleibt, werden die Betroffenen auf nicht hinnehmbare Weise aus dem gesellschaftlichen Leben ausgegrenzt: Auch Sport- und andere gemeinnützige Vereine werden sich keine Lesegeräte für Bezahlkarten anschaffen, um Vereinsmitgliedschaften zu ermöglichen und dann monatlich persönlich die Beiträge in Empfang zu nehmen. Für etliche kleine Läden lohnt sich die Anschaffung eines Lesegeräts nicht, gerade in ländlichen Kommunen dürfte es schwierig werden. Eine Nutzung von Online- und Gebrauchtwarenbörsen und alle Bestellungen im Internet wären unmöglich. Bislang sind wir davon ausgegangen, dass es in Niedersachsen sowohl die Möglichkeit gibt, Überweisungen im Inland zu tätigen, als auch die gewährte Leistung von der Bezahlkarte abzuheben. Die Verhinderung jeglicher Zahlungen durch Überweisungen und Lastschriften ist rechtlich nicht vorgeschrieben und wäre aus Sicht des Flüchtlingsrats ausgrenzend und diskriminierend.

Die Leistungen nach dem AsylbLG betragen 460 € monatlich für Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Haushalt, Haushaltsenergie sowie Leistungen für die persönlichen Bedürfnisse des täglichen Lebens (Anteil: 204 € von 460 €).  Es spricht schon Bände, dass die Politik sich nun schon seit Monaten darum streitet, wie man Geflüchteten ihre ohnehin geringen Leistungen weiter reglementieren und beschränken kann: Wie armselig und schäbig ist das? Nach Aussagen nahezu aller Fachleute wird die Einführung einer Bezahlkarte ohne Überweisungsfunktion und mit eingeschränkter Bargeldfunktion negative Auswirkungen auf die Integration und Teilhabe der Geflüchteten haben, zusätzliche Kosten mit sich bringen und ihr eigentliches Ziel, die Reduzierung der Fluchtmigration, verfehlen [siehe hierzu etwa die Stellungnahme von Prof. Herbert Brückner zur Bezahlkarte]. Offenkundig zielt die Einführung der Bezahlkarte vor allem auf die Innenpolitik: Sie signalisiert, man setze Schutzsuchenden in Deutschland Schranken und behandele sie schlechter als Einheimische. Mit solchen wohlstandschauvinistischen Bestrebungen nährt und befördert die Politik am Ende nur das Geschäft der organisierten Rechtsextremisten.

Das Bundesverfassungsgericht hatte in seinem wegweisenden Urteil vom 18.07.2012 festgestellt, dass das Existenzminimum „migrationspolitisch nicht zu relativieren“ sei. Nun droht mit der Bezahlkarte aber genau das: Aus migrationspolitischen Erwägungen wird die Verfügbarkeit über die Leistungen eingeschränkt. Faktisch wird das Leben für Geflüchtete teurer werden. Schon die im Dezember 2023 beschlossene Verlängerung des Zeitraums, in dem Asylsuchende eingeschränkte Leistungen erhalten, von 18 auf 36 Monaten war offenkundig verfassungswidrig (siehe  Gutachten des Gesetzes- und Beratungsdienstes des Bundestags).

 

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Kai Weber (er/ihn) - Geschäftsführer
Flüchtlingsrat Niedersachsen e.V., Röpkestr. 12, 30173 Hannover - Durchwahl: 0511 - 84 87 99 72 - Tel.: 0511/98 24 60 30
Mo-Fr: 10.00 bis 12.30, Di+Do: 14.00 bis 16.00 - Mail: kw@nds-fluerat.org - www.nds-fluerat.org
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ALLES AUF EINE KARTE

Wie Asylbewerber im Alltag mit einer Bezahlkarte klarkommen

Statt Bargeld sollen Asylbewerber künftig Bezahlkarten erhalten, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Doch die Konzepte dafür unterscheiden sich deutschlandweit zum Teil erheblich. In einigen Kommunen werden solche Karten bereits getestet.

Von Michael Grau

Montag, 08.04.2024

Bevor er zur Supermarkt-Kasse geht, kramt Basel Al Refaee erst einmal einen Zettel aus der Jackentasche und checkt die Geheimnummer. Sicher ist sicher, es soll nichts schiefgehen mit seiner neuen „Social Card“ für Asylbewerber in Hannover. Dann packt der 29-jährige Syrer die Lebensmittel auf das Laufband: Tiefkühlpizza, Milch, Kaffee, Apfelsinen. Er schiebt die Prepaid-Karte ins Lesegerät, tippt die vier PIN-Ziffern ein. Es piept, es surrt, ein Kassenzettel – fertig. „Mit der Karte kann ich fast alles kaufen“, erzählt Al Refaee. Nur bei Bahntickets bereite sie manchmal Probleme.

Seit Wochen wird in ganz Deutschland heiß darüber diskutiert, ob und in welcher Form künftig Bezahlkarten wie diese an Asylsuchende ausgegeben werden sollen, statt ihnen Bargeld zu geben. Anfang April einigten sich die Bundestagsfraktionen von SPD, Grünen und FDP auf eine Gesetzesänderung zur Einführung einer solchen Karte. Details werden auf Länderebene beschlossen. Viele Politiker verbinden mit dem Projekt auch die Hoffnung, dass Flüchtlinge künftig kaum noch Geld aus staatlicher Unterstützung an Angehörige in ihren Herkunftsländern oder an Schlepper schicken können.

Geldkarten in Hannover schon seit Dezember

Basel Al Refaee kauft schon seit drei Monaten mit der Karte ein, denn Hannover hat sie bereits im Dezember eingeführt. Zusammen mit den Landkreisen Eichsfeld und Greiz in Thüringen gehört die Stadt zu den ersten Kommunen, die das neue System erproben. „Wir verfolgen das Ziel, geflüchteten Menschen einen diskriminierungsfreien Zugang zu bargeldloser Bezahlung zu ermöglichen“, sagt Oberbürgermeister Belit Onay (Grüne). Inzwischen testen auch Hamburg und Magdeburg sowie Landkreise in Baden-Württemberg, Bayern und Sachsen eigene Karten-Systeme.

Ausgegeben werden die Karten an Asylbewerber oder an Menschen mit einer Duldung, die noch kein eigenes Bankkonto haben. Die Behörden überweisen dann die ihnen zustehenden Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz an Banken, die damit die Karten aufladen. Das sind bei alleinstehenden Erwachsenen zurzeit 460 Euro im Monat. Wer in einer Gemeinschaftsunterkunft lebt wie Basel Al Refaee, bekommt 413 Euro.

Im Supermarkt hat Al Refaee heute 34,51 Euro ausgegeben. „Das reicht wieder für ein paar Tage“, sagt er, schiebt den Einkaufswagen zurück und schnappt sich die Tasche, in der er die Lebensmittel verstaut hat. Am Abend wird er in der Unterkunft mit anderen wieder etwas Leckeres kochen. Über sein Geld kann der Syrer mit der „Social Card“ weitgehend frei verfügen, solange sein Konto gedeckt ist. Bundesweit kann er damit überall dort zahlen, wo Kreditkarten akzeptiert werden: im Jeansladen ebenso wie im Restaurant. Und an jedem Geldautomaten kann er Bargeld abheben.

Große Unterschieden zwischen Kartensystemen

Das ist nicht in jeder Kommune so. Denn zwischen den Karten-Systemen gibt es zum Teil erhebliche Unterschiede. So ist die Bargeld-Auszahlung beim bayerischen Modellversuch sowie in Magdeburg auf 50 Euro begrenzt. Hier kann die Karte auch nur in bestimmten Postleitzahl-Gebieten eingesetzt werden.

Solche Einschränkungen rufen die Kritik der Flüchtlingsräte auf den Plan. Kai Weber vom Flüchtlingsrat Niedersachsen etwa sieht die Freizügigkeit der Geflüchteten in Gefahr, wenn die Karte nur in einem einzigen Landkreis genutzt werden kann. Es sei ein Rückschritt, wenn durch die Hintertür wieder die sogenannte Residenzpflicht eingeführt werde. Auch Einschränkungen beim Bargeld hält Weber für problematisch: „Es gibt eine Fülle von ganz praktischen Situationen, in denen Bargeld gebraucht wird, sei es beim Kopiergeld für die Kinder in der Schule oder auf dem Flohmarkt.“

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So verschieden wie die einzelnen Karten-Systeme sind auch die Motivationen der Kommunen und Landkreise. In Hannover will die Stadt in erster Linie die Verwaltung vereinfachen. Hier wurden bereits rund 240 Karten ausgegeben. Dadurch seien bereits sechs Mitarbeiter von Verwaltungsaufgaben entlastet worden, berichtet Oberbürgermeister Onay.

„Es hat alles seine positiven und negativen Seiten“

Im thüringischen Landkreis Eichsfeld hingegen geht es vor allem darum, Geflüchtete in Arbeit zu bringen. „Das Leben in Deutschland geht nur über Arbeit“, betont Landrat Werner Henning (CDU). Und wer sich selbst eine Arbeit suche, entlaste den Staat. Henning hat sich deshalb ein Bonus-System überlegt: Dabei fließen 55 Prozent der Sozialleistungen auf die Karte, die hier „Sachleistungskarte“ heißt. Die restlichen 45 Prozent, das sind 204 Euro, werden in bar ausgezahlt. Wer aber selbst etwas hinzuverdient, bekommt alles in bar. Das Echo sei positiv, sagt Henning. Allerdings seien rund 35 Personen daraufhin zurück nach Nordmazedonien gereist.

Basel Al Refaee findet es gut, Bargeld zu haben, weil er damit flexibel ist. Andererseits muss er jetzt mit der „Social Card“ nicht immer Schlange stehen wie früher bei der Geldausgabe. „Es hat alles seine positiven und negativen Seiten“, sagt er. Irritiert ist er über die Diskussion über Geldtransfers in die Herkunftsländer: „Was ist so schlimm daran, wenn man alle sechs Monate einen kleinen Betrag nach Hause schickt, wenn die Familie in Not ist?“

Solche Transfers machten aber ohnehin nur diejenigen, die schon eine Arbeit hätten, erzählt er. Und arbeiten, das will auch er so bald wie möglich. Ein Job im Restaurant, das kann er sich fürs Erste gut vorstellen. (epd/mig)                                                                                                                   © Migazin