Hier mehr zu Bezahlkarten bei
Geflüchteten ---------------------------------------------------------------
a. Kartentausch ist keine Straftat Auf Betreiben des CSU-BundestagsabgeordnetenPeter Aumerhat die Staatsanwaltschaft den Kartentausch von Bezahlkarten geprüft. Das Ergebnis liegt nun vor:
„Staatsanwaltschaft Regensburg und BaFin kommen übereinstimmend zu der Einschätzung, dass das fragliche Verhalten im Rahmen der Aktion Kartentausch keinen
Straftatbestand erfüllt“
b. Wie Visa und Mastercard mit der Bezahlkarte Geld machen Die Bezahlkarte für Asylbewerber*innen ist Schikane und schränkt den ohnehin schon engen Handlungsspielraum von Geflüchteten noch
weiter ein. Für den Staat droht die Bezahlkarte zu einer teuren Bürokratiefalle zu werden. Die einzigen Gewinner sind Firmen wie Visa und Mastercard. Mehr dazu:https://t1p.de/7auij
c. Geflüchtete senden seltener Geld ins Ausland als andere
Migrant*innen Neue Forschungen belegen, dass die politische Begründung für die Einführung einer „Bezahlkarte“ für Asylsuchende in Deutschland, man
wolle „Auslandsüberweisungen“ und damit eine „Zweckentfremdung“ der gezahlten Sozialleistung für die Unterstützung von Angehörigen verhindern, keine empirische Basis hat. Dazu der DIW Wochenbericht 49 / 2024, https://t1p.de/3fdae
Kommentar dazu:Die Bezahlkarte wurde mit dem Argument eingeführt, man wolle verhindern, dass Geflüchtete Geld ins Ausland
überweisen. Gerade mit der Untersuchung des DIW wird deutlich, dass es mit der Bezahlkarte nur um Diskriminierung und Ausgrenzung von
Geflüchteten geht.
Es wird Zeit, die Bezahlkarten wieder abzuschaffen!
So läuft das nicht: Die lange Liste der Probleme mit der Bezahlkarte -- 09.10.2024
Die Bezahlkarte für Geflüchtete verursacht Umsetzungsprobleme, sie hat massive negative Folgen für Betroffene und bedeutet absurde
Mehrarbeit für die Verwaltungen. Erste Gerichtsentscheidungen verurteilen bereits die zum Teil rechtswidrige Praxis. PRO ASYL appelliert an die Länder und Kommunen, den Unsinn mit der Bezahlkarte
zu stoppen.
Seit Monaten wird die Bezahlkarte für Geflüchtete als Baustein einer ernsthaften Flüchtlingspolitik gepriesen. Im April 2024 nahm die
Bundesregierung die Bezahlkarte als eigenständige Möglichkeit für die Leistungsgewährung ins Gesetz auf. Die Vorbereitungen für eine bundesweit einheitliche Karte laufen. Das
Ausschreibungsverfahren ist zwar beendet, die Vergabeprobleme hören aber damit nicht auf, wie auch netzpolitik.org beschreibt.
Derweil haben die Länder Bayern und Hamburg sowie Kommunen in Sachsen, Thüringen und anderswo längst Fakten geschaffen, Pilotprojekte
gestartet und eigene Bezahlkartenverträge mit unterschiedlichen Anbietern abgeschlossen. Erklärtes Ziel der Bezahlkarten ist die Beschränkung der Möglichkeit, Bargeld abzuheben und so
Überweisungen ins Ausland tätigen zu können. Dabei gibt es Unterschiede in Funktion und Handhabung der Karten.
Vielfältige Erfahrungen der ersten Monate zeigen, was passiert, wenn man in Deutschland lebende Menschen von einem regulären Zahlungsverkehr
abzuschneiden versucht. Die Liste der Probleme ist lang.
·Die 50 Euro-Pauschale ist rechtswidrig
·Keine Möglichkeit der Bezahlkartenzahlung vor Ort
·Rechtswidrige Gebühren und kein Geld für ein Konto
·Regionale Beschränkung
·Technische Probleme bei der Umstellung
·Technische Fehler bei der Kartenzahlung
·Keine Verträge (mehr), keine Abbuchungen, keine Onlinekäufe
·Keine Rückgabe gekaufter Ware möglich
·Lastschriften platzen
·Ausweg »Whitelist«?
·Verstöße gegen den Datenschutz
·Technische Probleme bei der Freischaltung
·Von Digitalisierung keine Spur
FAZIT: Die Bezahlkarte bedeutet nichts als Ärger, Kosten und Arbeit
Die Bezahlkarte bringt für viele Beteiligte nichts als eine Menge Ärger, Kosten und Arbeit im Alltag. Sie setzt geflüchtete Menschen
vielfältigen Zumutungen aus, macht Einkäufe unmöglich oder umständlich, verursacht zusätzliche Gebühren, bringt drohende Verschuldung und nicht zuletzt Aufwand in den Behörden mit sich. Staatlich
bezahlte Sozialarbeiter*innen müssen Fragen beantworten, Zahlungsprobleme lösen oder – datenschutzwidrig – private Überweisungsnummern einsammeln.
Zivilgesellschaftliche Initiativen in Hamburg, Nürnberg, München und an immer mehr Orten verhelfen Geflüchteten durch Tausch und Bargeld zum Notwendigsten, auch der politische Widerstand der Initiativen (zum Beispiel
in Leipzig) wächst. Nicht
zuletzt beschäftigen sich auch die Verwaltungen mit den diskriminierenden Umständen einer Bezahlkarte. Neben kritischen Stimmen aus der Verwaltung wie z.B. im Ilmkreis haben sich
Städte wie Steinfurt oder Münster zum Nutzen der Bezahlkarte kritisch geäußert. Durch die
Berücksichtigung von Einzelfallbedarfen wird der kommunale Aufwand noch ansteigen, statt zu entlasten.
Die einzigen Gewinner der Bezahlkarte sind die Kartenverkäufer und die Konzerne Visa Inc. oder MasterCard Inc.
5 Mio.€ prognostizierte Kosten für die Bezahlkarte in Berlin
366.000€ kostete die Ausgabe von Sozialleistungen bisher
Die einzigen Gewinner der Bezahlkarte sind die Kartenverkäufer und die Konzerne Visa Inc. oder MasterCard Inc. Die Kostenlast der
Bezahlkarte – in Berlin werden Kosten von fünf Millionen Euro statt wie bisher 366.000 Euro für die Ausgabe der
Sozialleistung veranschlagt – trägt der Staat.
Rein gar nichts bringt die Bezahlkarte dagegen für Integration und ein friedliches Zusammenleben. In einer Zeit um sich greifender
politischer Polemik, von Angriffen auf Demokratie und Verfassung, wäre das Geld und die Energie, die in die Bezahlkarte fließen, wesentlich besser in Integrationspolitik und Demokratieförderung
angelegt. Oder in Investitionen im Bereich Schule und Wohnen. PRO ASYL appelliert an Länder und Kommunen, den Unsinn mit der Bezahlkarte zu stoppen.
·Die
eigenständige Einsichtnahme in den Guthabenstand durch die Leistungsbehörde ist unzulässig. Wie wir hören, passiert dies aber wohl regelmäßig. So soll z. B. in Bayern am Ende des Monats das Restguthaben auf der Karte, das über 200 Euro pro
Person hinausgeht, mit der nächsten Zahlung verrechnet werden (wegen des „Vermögensfreibetrags“ von 200 Euro). Dies ist datenschutzrechtlich demnach nicht zulässig.
·Die
Beschränkung auf bestimmte Postleitzahlengebiete aufgrund einer räumlichen Beschränkung ist unzulässig.Denn damit würde diese räumliche Beschränkung auf der Karte gespeichert und wäre für die Leistungsbehörde und die Kartenfirma einsehbar. Diese
aufenthaltsrechtliche Auflage geht die Kartenfirma oder die Leistungsbehörde jedoch erst einmal nichts an, da sie nichts mit der Frage des Leistungsanspruchs an sich zu tun hat.
·Die
AZR-Nummer darf nicht mit der Bezahlkarte verknüpft werden.Denn
das AZR-Gesetz und die Durchführungsverordnung lassen die Weitergabe der Nummer an eine Privatfirma nicht zu.
·Sicherheitsbehörden
dürfen an sich keinen Zugriff auf die auf der Karte gespeicherten Daten haben. Dies wäre nur im Rahmen der
entsprechenden Sicherheitsgesetze zulässig.
Die Datenschutzbehörden stellen fest, dass für all diese Dinge eine ausdrückliche Rechtsgrundlage erforderlich wäre. Da es die aber
nicht gibt, sind sie unzulässig.
In dem Papier haben sich die Datenschützer*innen nicht mit der Frage auseinandergesetzt, wie es mit dem Datenschutz bei den so
genannten „Whitelists“ aussieht. Hier kann man ja beantragen, dass bestimmte Überweisungen an bestimmte Empfänger*innen freigeschaltet werden. Dafür müssen jedoch gegenüber der Behörde sämtliche
Daten der Empfängerin offengelegt (Name, Ort, IBAN) und auch der Grund der Zahlung angegeben werden. Dies ist datenschutzrechtlich wohl kaum zulässig.
Am Mittwoch hat der Innenausschuss über ein sogenanntes Omnibusverfahren Änderungen am
Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) und damit der bundesrechtlichen Absicherung zur Einführung einer Bezahlkarte für Asylsuchende zugestimmt. Mit dieser Karte sollen Asylsuchende künftig
ihren monatlichen persönlichen Bedarf decken. Nach Aussagen der Bundesregierung sollen die Kommunen dadurch „von Bürokratie entlastet“ werden. Offenkundig geht es bei der Bezahlkarte aber
nicht um Bürokratieabbau, sondern um Diskriminierung – leider auch in Niedersachsen:
Mit Unverständnis reagiert der Flüchtlingsrat Niedersachsen auf die Pläne der Landesregierung, im Rahmen der Einführung einer Bezahlkarte Bargeldzahlungen an Geflüchtete zu beschränken und
ihnen Überweisungen zu verbieten. Der Flüchtlingsrat fordert die Landesregierung auf, die Bezahlkarte nicht als Instrument zur Diskriminierung von Geflüchteten einzusetzen, und erinnert die
rot-grüne Koalition an ihr Versprechen aus dem Koalitionsvertrag, Diskriminierungen zu beseitigen.
Konkret fordert der Flüchtlingsrat Niedersachsen, dass die Landesregierung sich ein Beispiel an der „Socialcard“ in der Landeshauptstadt Hannover nimmt und die Bezahlkarte
diskriminierungsfrei ausgestaltet. Darüber hinaus fordert der Flüchtlingsrat, dass das Land Niedersachsen anderen Bundesländern (wie z.B. Schleswig-Holstein) folgt und auch für Geflüchtete
landesweit eine Gesundheitskarte einführt. Es mutet absurd an, wenn einerseits die Leistungen zum Lebensunterhalt ausschließlich digital erbracht werden, während andererseits für Besuche bei
Ärzt:innen weiterhin ein Papierkrankenschein erforderlich ist, der beim Sozialamt abgeholt werden muss. Dies ist auch vor dem Hintergrund geboten, dass die Einführung der Bezahlkarte den
bürokratischen Aufwand der Sozialämter verringern soll.
Leider gehen die aktuellen Planungen jedoch in eine andere Richtung: Da die hannoversche Socialcard auch Überweisungen zulässt, könne sie, so heißt es jetzt aus dem Innenministerium, nach der
niedersachsenweiten Einführung der Bezahlkarte keinen Bestand mehr haben. Mit der Bezahlkarte sollen weder Inlands- noch Auslandsüberweisungen möglich sein. (Debit-Karte ohne
Überweisungsmöglichkeit). Eine Gesundheitskarte, deren Einführung die Landesregierung laut Koalitionsvertrag eigentlich prüfen wollte, sei dagegen nicht in Planung.
Ein Bankkonto können sich alle Asylsuchenden zwar auch weiterhin selbst zulegen, aber die Sozialleistung wird nach den aktuellen Planungen der Landesregierung für
Grundleistungsempfänger:innen (immer und ausschließlich) auf die Bezahlkarte überwiesen. Von den Leistungen kann nur ein eingeschränkter Betrag in bar abgehoben werden. Der verfügbare
Barbetrag soll in den Erstaufnahmeeeinrichtungen (EAEs) und in den Kommunen gleich hoch sein. Da in der Erstaufnahmeeinrichtung viele Leistungen als Sachleistungen erbracht werden, soll der
über die Karte bereitgestellte Betrag für unbare Leistungen dort dann geringer sein.
Der Ausschluss jeglicher Überweisungsmöglichkeit läuft auf eine erhebliche Behinderung, wenn nicht Verhinderung einer Rechtsvertretung hinaus: Anwaltskanzleien müssten sich nicht nur ein
Lesegerät anschaffen, sondern auch z.B. bei Ratenzahlungen ihre Mandant:innen monatlich persönlich empfangen, um die Bezahlkarte einzulesen und den Ratenbetrag abzubuchen. Anwaltskanzleien,
die oft mehrere hundert Mandant:innen haben, werden dies nicht leisten können. Für die Betroffenen bedeutet dies zusätzliche Kosten für Reisen, eine anwaltliche Vertretung könnte nur noch
regional gesucht werden. Dies ist schon im Asylverfahren kaum zu realisieren, da erfahrene Asylanwält:innen in bestimmten Regionen einfach nicht zu finden sind. Gleiches gilt für Anwält:innen
im Sozialrecht.
Wenn es bei den bisherigen Planungen bleibt, werden die Betroffenen auf nicht hinnehmbare Weise aus dem gesellschaftlichen Leben ausgegrenzt: Auch Sport- und andere gemeinnützige Vereine
werden sich keine Lesegeräte für Bezahlkarten anschaffen, um Vereinsmitgliedschaften zu ermöglichen und dann monatlich persönlich die Beiträge in Empfang zu nehmen. Für etliche kleine Läden
lohnt sich die Anschaffung eines Lesegeräts nicht, gerade in ländlichen Kommunen dürfte es schwierig werden. Eine Nutzung von Online- und Gebrauchtwarenbörsen und alle Bestellungen im
Internet wären unmöglich. Bislang sind wir davon ausgegangen, dass es in Niedersachsen sowohl die Möglichkeit gibt, Überweisungen im Inland zu tätigen, als auch die gewährte Leistung von der
Bezahlkarte abzuheben. Die Verhinderung jeglicher Zahlungen durch Überweisungen und Lastschriften ist rechtlich nicht vorgeschrieben und wäre aus Sicht des Flüchtlingsrats ausgrenzend und
diskriminierend.
Die Leistungen nach dem AsylbLG betragen 460 € monatlich für Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Haushalt, Haushaltsenergie sowie Leistungen für die persönlichen Bedürfnisse des täglichen
Lebens (Anteil: 204 € von 460 €). Es spricht schon Bände, dass die Politik sich nun schon seit Monaten darum streitet, wie man Geflüchteten ihre ohnehin geringen Leistungen weiter
reglementieren und beschränken kann: Wie armselig und schäbig ist das? Nach Aussagen nahezu aller Fachleute wird die Einführung einer Bezahlkarte ohne Überweisungsfunktion und mit
eingeschränkter Bargeldfunktion negative Auswirkungen auf die Integration und Teilhabe der Geflüchteten haben, zusätzliche Kosten mit sich bringen und ihr eigentliches Ziel, die Reduzierung
der Fluchtmigration, verfehlen [siehe hierzu etwa die Stellungnahme
von Prof. Herbert Brückner zur Bezahlkarte]. Offenkundig zielt die Einführung der Bezahlkarte vor allem auf die Innenpolitik: Sie signalisiert, man setze Schutzsuchenden in Deutschland
Schranken und behandele sie schlechter als Einheimische. Mit solchen wohlstandschauvinistischen Bestrebungen nährt und befördert die Politik am Ende nur das Geschäft der organisierten
Rechtsextremisten.
Das Bundesverfassungsgericht hatte in seinem wegweisenden Urteil
vom 18.07.2012 festgestellt, dass das Existenzminimum „migrationspolitisch nicht zu relativieren“ sei. Nun droht mit der Bezahlkarte aber genau das: Aus migrationspolitischen
Erwägungen wird die Verfügbarkeit über die Leistungen eingeschränkt. Faktisch wird das Leben für Geflüchtete teurer werden. Schon die im Dezember 2023 beschlossene Verlängerung des Zeitraums,
in dem Asylsuchende eingeschränkte Leistungen erhalten, von 18 auf 36 Monaten war offenkundig verfassungswidrig (siehe Gutachten des Gesetzes- und Beratungsdienstes des Bundestags).
Wie Asylbewerber im Alltag mit einer Bezahlkarte klarkommen
Statt Bargeld sollen Asylbewerber künftig Bezahlkarten erhalten, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Doch die Konzepte dafür
unterscheiden sich deutschlandweit zum Teil erheblich. In einigen Kommunen werden solche Karten bereits getestet.
Bevor er zur Supermarkt-Kasse geht, kramt Basel Al Refaee erst einmal einen Zettel aus der Jackentasche und checkt
die Geheimnummer. Sicher ist sicher, es soll nichts schiefgehen mit seiner neuen „Social Card“ für Asylbewerber in Hannover. Dann packt der 29-jährige Syrer die Lebensmittel auf das Laufband:
Tiefkühlpizza, Milch, Kaffee, Apfelsinen. Er schiebt die Prepaid-Karte ins Lesegerät, tippt die vier PIN-Ziffern ein. Es piept, es surrt, ein Kassenzettel – fertig. „Mit der Karte kann ich fast
alles kaufen“, erzählt Al Refaee. Nur bei Bahntickets bereite sie manchmal Probleme.
Seit Wochen wird in ganz Deutschland heiß darüber diskutiert, ob und in welcher Form
künftig Bezahlkarten wie diese an Asylsuchende ausgegeben werden sollen, statt ihnen Bargeld zu geben. Anfang April einigten sich die Bundestagsfraktionen von
SPD, Grünen und FDP auf eine Gesetzesänderung zur Einführung einer solchen Karte. Details werden auf Länderebene beschlossen. Viele Politiker verbinden mit dem Projekt auch die Hoffnung, dass
Flüchtlinge künftig kaum noch Geld aus staatlicher Unterstützung an Angehörige in ihren Herkunftsländern oder an Schlepper schicken können.
Geldkarten in Hannover schon seit Dezember
Basel Al Refaee kauft schon seit drei Monaten mit der Karte ein, denn Hannover hat sie bereits im Dezember eingeführt. Zusammen
mit den Landkreisen Eichsfeld und Greiz in Thüringen gehört die Stadt zu den ersten Kommunen, die das neue System erproben. „Wir verfolgen das Ziel, geflüchteten Menschen einen
diskriminierungsfreien Zugang zu bargeldloser Bezahlung zu ermöglichen“, sagt Oberbürgermeister Belit Onay (Grüne). Inzwischen testen auch Hamburg und Magdeburg sowie Landkreise in
Baden-Württemberg, Bayern und Sachsen eigene Karten-Systeme.
Ausgegeben werden die Karten an Asylbewerber oder an Menschen mit einer Duldung, die noch kein eigenes Bankkonto
haben. Die Behörden überweisen dann die ihnen zustehenden Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz an Banken, die damit die Karten aufladen. Das sind bei alleinstehenden Erwachsenen
zurzeit 460 Euro im Monat. Wer in einer Gemeinschaftsunterkunft lebt wie Basel Al Refaee, bekommt 413 Euro.
Im Supermarkt hat Al Refaee heute 34,51 Euro ausgegeben. „Das reicht wieder für ein paar Tage“, sagt er, schiebt den
Einkaufswagen zurück und schnappt sich die Tasche, in der er die Lebensmittel verstaut hat. Am Abend wird er in der Unterkunft mit anderen wieder etwas Leckeres kochen. Über sein Geld kann der
Syrer mit der „Social Card“ weitgehend frei verfügen, solange sein Konto gedeckt ist. Bundesweit kann er damit überall dort zahlen, wo Kreditkarten akzeptiert werden: im Jeansladen ebenso wie im
Restaurant. Und an jedem Geldautomaten kann er Bargeld abheben.
Große Unterschieden zwischen Kartensystemen
Das ist nicht in jeder Kommune so. Denn zwischen den Karten-Systemen gibt es zum Teil erhebliche Unterschiede. So
ist die Bargeld-Auszahlung beim bayerischen
Modellversuch sowie in Magdeburg auf 50 Euro begrenzt. Hier kann die Karte auch nur in bestimmten Postleitzahl-Gebieten eingesetzt werden.
Solche Einschränkungen rufen die Kritik der Flüchtlingsräte auf
den Plan. Kai Weber vom Flüchtlingsrat Niedersachsen etwa sieht die Freizügigkeit der Geflüchteten in Gefahr, wenn die Karte nur in einem einzigen Landkreis genutzt werden kann. Es sei ein
Rückschritt, wenn durch die Hintertür wieder die sogenannte Residenzpflicht eingeführt werde. Auch Einschränkungen beim Bargeld hält Weber für problematisch: „Es gibt eine Fülle von ganz praktischen Situationen, in denen
Bargeld gebraucht wird, sei es beim Kopiergeld für die Kinder in der Schule oder auf dem Flohmarkt.“
So verschieden wie die einzelnen Karten-Systeme sind auch die Motivationen der Kommunen und Landkreise. In Hannover
will die Stadt in erster Linie die Verwaltung vereinfachen. Hier wurden bereits rund 240 Karten ausgegeben. Dadurch seien bereits sechs Mitarbeiter von Verwaltungsaufgaben entlastet worden,
berichtet Oberbürgermeister Onay.
„Es hat alles seine positiven und negativen Seiten“
Im thüringischen Landkreis Eichsfeld hingegen geht es vor allem darum, Geflüchtete in Arbeit zu bringen. „Das Leben
in Deutschland geht nur über Arbeit“, betont Landrat Werner Henning (CDU). Und wer sich selbst eine Arbeit suche, entlaste den Staat. Henning hat sich deshalb ein Bonus-System überlegt: Dabei
fließen 55 Prozent der Sozialleistungen auf die Karte, die hier „Sachleistungskarte“ heißt. Die restlichen 45 Prozent, das sind 204 Euro, werden in bar ausgezahlt. Wer aber selbst etwas
hinzuverdient, bekommt alles in bar. Das Echo sei positiv, sagt Henning. Allerdings seien rund 35 Personen daraufhin zurück nach Nordmazedonien gereist.
Basel Al Refaee findet es gut, Bargeld zu haben, weil er damit flexibel ist. Andererseits muss er jetzt mit der
„Social Card“ nicht immer Schlange stehen wie früher bei der Geldausgabe. „Es hat alles seine positiven und negativen Seiten“, sagt er. Irritiert ist er über die Diskussion über Geldtransfers in
die Herkunftsländer: „Was ist so schlimm daran, wenn man alle sechs Monate einen kleinen Betrag nach Hause schickt, wenn die Familie in Not ist?“